17 Jahre nach seinem letzten Kabarettprogramm will es Josef Hader auf der Kleinkunst-Bühne noch einmal wissen. „Hader On Ice“ ist eine bittersüße, satirische Parabel auf das Älterwerden, den Generationenkonflikt und die Besonderheiten der österreichischen Wesensart. Im Interview sprach der 59-Jährige mit uns über Mobbing in der Schule, die Tücken des Systems und warum es für ihn notwendig ist, auf der Bühne thematisch anzuecken.
„Krone“: Herr Hader, „Hader On Ice“ ist Ihr erstes neues Kabarettprogramm seit „Hader muss weg“ vor 17 Jahren. Hat bei Ihnen die Realität der gegenwärtigen Welt die Dringlichkeit für ein neues Programm herausgekitzelt?
Josef Hader: Für mich war klar, dass ich nach meinem ersten Regiefilmprojekt „Wilde Maus“ ein neues Programm schreibe. Ich hatte meinen Filmschwerpunkt und mit meinem ersten eigenen Werk habe ich dort einen Kreis geschlossen. Als ich vom neuen Live-Projekt sprach, schauten mich viele ungläubig an und meinten, dass ich das nicht mehr nötig hätte. So als wäre ich ein Pensionist, der es auch lassen könnte. Es wurde gezweifelt, ob ich das noch kann. Das hat die Lust auf ein Comeback á la Muhammad Ali erweckt, um es noch einmal allen zu zeigen. In den letzten Jahren habe ich Lust bekommen, mit dieser neuen Zeit, in der wir leben, umzugehen. Bei „Hader spielt Hader“ habe ich bemerkt, dass es nicht mehr so gut in die Gegenwart passt. Man adaptiert zwar das Programm, aber vieles vom Wahnsinn der heutigen Zeit kam dort nicht mehr vor. Die Menschen, die immer irrationaler werden, gab es schon vor Corona. Vernunft und Realität waren bis in die höchste Weltpolitik hinauf keine Kategorie mehr. Da wollte ich ansetzen.
Der Hauptprotagonist in „Hader On Ice“ lebt vor allem mit den Problemen und Tücken des Älterwerdens.
Ich hatte Lust auf diese neue Bühnenfigur, die das Älterwerden zelebriert. Wenn ich das so gut auf der Bühne ausstellen kann, habe ich selbst weniger Angst davor.
Wenn man jüngere Leute im Publikum sitzen hat, ist es natürlich ein schmaler Grat, auf die „Boomer“-Thematik einzugehen. Man könnte sich da schnell in zu viele Klischees verfahren …
Ich wollte mich so richtig schön lächerlich machen in der Hoffnung, dass das den jungen Leuten auch gefällt. Bislang hat das gut funktioniert. Die Jungen können herzhaft über ihre Eltern oder älteren Verwandten lachen. Ich habe das große Glück, dass ich auch junges Publikum habe und meine kleine Chance, dass das so weitergeht, ist, mich über mich selbst lustig machen zu können. Ich glaube für junge Menschen ist nichts öder, als wenn ein älterer Herr auf der Bühne steht und krampfhaft versucht, jung zu wirken. Nähere Beschreibungen gebe ich jetzt nicht, sonst weiß man wieder, welche Kollegen gemeint sind. (lacht)
Im Programm geht es um das Älterwerden und auch um den Generationenkonflikt. Grüne Energie vs. SUVs oder älterer Herr umgibt sich mit jungen Frauen. Was waren die Hauptinspirationen für dieses doch breite Programm?
Die erste Idee kam zum Höhepunkt der Trump-Ära. Als Kabarettist kann man nicht auf die Bühne gehen, mit dem Zeigefinger wedeln und sagen, es wäre so dumm, was er macht. Ich wollte es schaffen, dass ich alle Grauslichkeiten in der Bühnenfigur vereinige und die so präsentiere, dass es den Leuten selbst zu grausen beginnt. Quasi die Qualtinger-Methode. Die Dummheit und die Verlogenheit direkt auf die Bühne stellen und nicht jemanden als dumm zu bezeichnen. Je ärger die Figur wird, umso besser ist dann das Ergebnis.
Wie wichtig ist der Aspekt, dass sich der Zuseher von der dargestellten Figur immer wieder persönlich ertappt fühlt?
Die Absicht wäre gewesen, dass die Bühnenfigur im Laufe des Abends möglichst nahe ans eigene Leben rankommt. Man weiß ja ungefähr, wer im Publikum sitzt und das sind weitestgehend jene, die eh glauben, sie wären auf der richtigen Seite. Zuerst ist diese Figur sehr weit von ihnen weg, dann schleicht sie sich an und irgendwann erwischt sie sie.
Ist das Bittersüße, Ertappende der Sinn eines Kabaretts?
Ja. Mich hat schon beim Schulkabarett gestört, dass die Schüler immer nur über die Lehrer lachen. Diese Latte war mir zu bequem und so habe ich Nummern eingestreut, wo die Schüler nicht immer nur gut davonkommen.
Ein prägnanter Teil des Programms ist jener, wo Sie von den Kindheits- und Internatserinnerungen erzählen und bei der Rückblende auf das Mobbing Rachefantasien entwickeln. Sind das echte Erlebnisse und sogar echte Namen, die Sie verwenden?
Das ist schon Autobiografisch, aber die Namen sind etwas verändert. Aber die Betroffenen wissen es. Ich bin heute mit allen gut und wir haben das alles besprochen. Es war nie vollkommen bösartig. Es war ein bisschen in den Schwitzkasten nehmen und hatte fast was Unschuldiges. Da kann man ja manchmal mitlachen.
Das Internet nimmt auch einen Teil im Programm ein. Macht die Öffentlichkeit, die Bullys und Mobber heute durch das Internet haben, deren Gemeinheiten und Bosheiten noch schlimmer und prägender für die Opfer?
Ja, denn Leute mit großen Machtfantasien, und derer gibt es bei uns doch einige, haben jetzt bessere Möglichkeiten als früher. Es geht in einen Bereich hinein, wo man bereits weiß, dass jemand daran zerbricht. An solche Dinge kann ich mich aus meiner Kindheit einfach nicht erinnern. Vielleicht hatte ich aber auch nur Glück.
Der Feind der Bullys war schon immer der Intelligente. Jener, der sich verbal wehren kann und nicht die Fäuste einsetzen muss. So ein Thema bleibt auch in einem aktuellen Programm zeitlos.
Im Laufe der Zeit, so mit 13 herum, wird es so, dass das Verbale plötzlich satisfaktionsfähig ist. Irgendwann ist man sogar überlegen, weil es nicht mehr so lässig ist, wenn man sich prügelt. Wenn man mit Worten umgehen kann, kann man Klassenkasperl werden oder mit guten Formulierungen den Lehrern gegenüber die Achtung der Mitschüler gewinnen. Die Zeit arbeitet für einen, wenn man mit Worten umgehen kann.
Sie haben in Interviews öfters gesagt, dass Sie sich mit Kritik schwertun und sie an Ihnen nagt. Ist eines der guten Dinge am Älterwerden aber nicht, dass man Kritik oder Mobbing einfach durchtaucht oder ignoriert, weil man niemandem mehr etwas beweisen muss?
Einerseits könnte man sagen, man hat schon einiges erlebt und muss nicht mehr alles so ernst nehmen. Andererseits werden die Nerven schlechter. Meine Erfahrung ist, dass es im Alter mit Angst und dem Kritikaushalten nicht besser wird. Leider.
Die Angst ist ein wichtiges Programmthema, etwa wenn der Besuch des Krampus in Österreich als erste Verschwörungstheorie des Lebens bezeichnet wird. Warum macht man Kindern vor allem im ländlichen Bereich so früh Angst?
Man war so unbesorgt und dachte sich wohl, die Kinder würden später im Leben sicher auch oft mal Angst haben. Man wollte sie aufs Leben vorbereiten. Angst geschürt wurde aber sicher auch, damit die Kinder nicht zu behütet aufwachsen, in der Annahme, sie könnten sich im Leben gar nicht mehr durchsetzen.
Ist die „Boomer“-Generation dafür verantwortlich, dass die Welt in Klimafragen und dergleichen untergeht?
Jede Generation, die gerade an der Macht ist, versagt und ist dafür verantwortlich, dass es bergab geht. Bei mir ist es so, dass die eigene Generation versagt und das löst in mir auch eine gewisse Genugtuung aus. Natürlich ist es eine Selbstlüge, aber ich fühle mich selbst in der Thematik wenig betroffen. Ich war immer der Einzelgänger, der nur eine Ruhe haben wollte. Ich wollte nicht Macht ausüben, sondern nur mein Ding durchziehen. Wenn ich jetzt diese älteren weißen Herren beim Machtausüben sehe, dann denke ich mir, ihnen geschieht recht. Ich habe das schon in der Volksschule bemerkt, aber da blieb das noch unter der Decke. Heute durchschauen das doch schon viele Leute. Man darf auch nicht glauben, dass das Thema mit der Reduktion auf diese Herren entschieden ist. In zehn Jahren kommen jüngere Damen und Herren. Alle sind diverser und raffinierter und sie werden versuchen dasselbe zu machen.
Sind jüngere Menschen der älteren Generation gegenüber solidarischer eingestellt als umgekehrt?
Ich würde ungern sagen, dass bestimmte Generationen besser sind als andere. Es ist immer alles gleich verteilt. In unserem System ist es aber so eingerichtet, dass die guten Menschen eher nicht in Machtpositionen kommen. Das ist der Grundfehler. Kooperation wird nicht so belohnt wie das kalte Machtstreben ohne Rücksicht auf Verluste. Diese Menschen werden in der Politik, der Wirtschaft und auch sonst überall belohnt. Dass es jemand nach oben schafft, richtig erfolgreich, aber kein Arschloch ist, ist seltener als umgekehrt - ganz hemdsärmelig gesprochen.
Oft ist zu beobachten, dass Menschen in die Wirtschaft oder die Politik mit guten Idealen einsteigen, diese aber durch Machtstreben und Postenschacher mit der Zeit aufgeben.
Das System deformiert einen. Man spielt das Spiel mit - auch jene, die anfangs nicht auf die Idee gekommen wären. Irgendwann hält man das System für normal und so ist es eigentlich dasselbe wie vor 100 oder 200 Jahren. Es ist sehr männlich und wenig auf Kooperation aufgebaut. Es geht um das Verwenden, das Benutzen und das darauf schauen, dass einen ja niemand überholt. Der Leistungsgedanke wäre mit Kooperation auch vertretbar, aber das wird nur von Fußballern verlangt. Ein Fußballer darf sich nie so wichtigmachen wie ein Chefredakteur. Er muss immer sagen, dass es um die Mannschaft geht und er seinen Beitrag geleistet hat. Am Fußball sollte man sich da ein Vorbild nehmen.
Dem Älterwerden steht jeder so machtlos gegenüber wie einer Pandemie. Ist das der Grund dafür, dass Menschen und vor allem Männer in solchen Situationen irrational werden?
Es stecken immer Unsicherheit und Angst dahinter. Leute, die sich abgehängt fühlen, am unteren Ende der Gesellschaft sind und die ihr Leben verbessern möchten, die sind von diesen Emotionen getrieben. Menschen, die das Gefühl haben etwas zu verlieren - sei es nur die Jugend. Diese Unsicherheit kann eine gewisse Art von Aggression oder irrationale Ersatzhandlungen fördern. Und es gibt die Möglichkeit das zu instrumentalisieren. Den Leuten ein Angebot zu machen und das erklärt so einiges, was gerade los ist.
Braucht es in Ihren Programmen diese wiederkehrende Schizophrenie, um all die Facetten dieser kabarettistisch dargestellten Menschen zu zeigen? Mehrfachverkörperungen ziehen sich ja durch Ihre Programme.
Im Prinzip ist es die Schizophrenie, die wir alle an den Tag legen müssen um in diesem System überhaupt zu funktionieren. Du musst in die Arbeit und dort manchmal rücksichtslos sein. Du benimmst dich dort ganz anders als zu Hause bei der Familie, wo du dich anders verhältst als bei deinen Freunden oder in anderen Situationen. Im Grunde ist es normal, dass wir als soziale Wesen darauf getrimmt sind, uns auf bestimmte Umgebungen anzupassen, um keine auf den Deckel zu kriegen. Das ist die ganz normale tägliche Schizophrenie. Für die Satire ist das ein besonders gutes Thema, denn wenn man es auf die Spitze treibt, gibt es vielleicht eine kleine Selbsterkenntnis.
Man ist eigentlich doch nur man selbst, wenn man ganz alleine ist.
Dieser Satz war das große Thema in meiner Kindheit. Ich war eher ein einsames Kind und musste mich immer verstellen, wenn ich mit anderen Kindern Zeit verbrachte. Auch, wenn man mit einem Mädchen zusammen ist. Die versteht ja alles anders als man es selbst sagt und vice versa. Es geht eigentlich nur auseinander - wie ist das in einer Beziehung? Solche Gedanken hatte ich mit 14. Später lernt man, dass das total stimmt, aber man es trotzdem macht. (lacht)
Haben Sie daraus auch die Einsamkeit auf der Bühne gewählt? Fühlen Sie sich alleine wohler?
Immer wenn ich Theater spielte, habe ich meine Rolle bei den Proben mehr verloren, weil ich mich nicht so behaupten konnte. Ich war jemand, dem es irgendwie an Durchsetzungsvermögen fehlte. Ich wusste von Anfang an, dass Schauspielerei nur bedingt etwas für mich ist. Die Rolle, in der man alleine etwas für die Bühne vorbereitet und austüftelt ist zwar wahnsinnig einsam, aber man muss sich nicht gegen andere durchsetzen. Das war schon ein starker Grund, alleine auf die Bühne zu gehen.
Ist der unmittelbare Applaus auf der Kabarett-Bühne immer angenehm oder manchmal auch unangenehm?
Er ist immer etwas Seltsames. Ich kann nicht darin baden. Wenn ich glückliche Gesichter sehe, ist das gut, aber der Applaus selbst ist zwiespältig. Wie verhält man sich? Wie oft kommt man noch auf die Bühne? Wie reagiert man darauf? Kommt man gar nicht mehr rauf? Das ist für mich eher eine Stresssituation. Insofern ist mir der Applaus auch nicht abgegangen.
In „Hader On Ice“ gibt es auch wieder sehr verpönte Themen wie Xenophobie, Rassismus oder Nationalsozialismus, den Sie mit einer ganz feinen Klinge gut satirisch umsetzen. Braucht man das richtige Gespür, um in diesen Gefilden satirisch zu sein? Oder kann das jeder?
Das ist etwas, was ich schon lange trainiere. Ich könnte mir ein Programm ohne diese Themen gar nicht vorstellen und es würde mir keinen Spaß machen. Ich sehe aber manchmal andere Programme von Kolleginnen oder Kollegen, die ohne diese Thematik auskommen und ich amüsiere mich dabei glänzend. Nur mir selbst wäre das nicht möglich.
„Hader On Ice“ auf Tour
Mit „Hader On Ice“ ist Josef Hader von jetzt bis 14. Dezember an unzähligen Terminen quer durch ganz Österreich unterwegs. Alle Infos, Termine und Karten für die Events finden Sie unter www.oeticket.com.
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