Arbeit,Psyche & Corona

Die mentale Gesundheit im Fokus behalten

Vorarlberg
19.06.2021 11:55

Die Menschen leiden unter Corona. Umso wichtiger ist betriebliches Gesundheitsmanagement. Warum Führungskräfte dabei eine Schlüsselrolle einnehmen und was das für sie bedeutet.

„Immer mehr Menschen berichten von erschöpfungsähnlichen Zuständen aufgrund von Doppelbelastung, dem plötzlichen Schub bei der Digitalisierung, sozialer Isolation durch Lockdown und Homeoffice, aber auch dem Umgang mit Verboten und Einschränkungen im privaten Bereich“, erzählt Dr. Michael Sprenger, Experte für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie, dessen Terminkalender seit einigen Monaten prall gefüllt ist. Dass die Corona-Pandemie Auswirkungen auf die Psyche hat, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr.

Angebot für Mitarbeiter etablieren
Das bedeutet freilich nicht, dass es für Betroffene ein Leichtes ist, darüber zu reden. Umso wichtiger ist es, dass die mentale Gesundheit im Arbeitsleben einen höheren Stellenwert bekommt. Insofern ist es zumindest positiv zu bewerten, dass laut Sprenger zahlreiche Unternehmen tatsächlich daran interessiert sind, ein passendes Angebot für ihre Mitarbeiter zu etablieren.

Dr. Michael Sprenger, Experte für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie. (Bild: (c) Erhard Sprenger)
Dr. Michael Sprenger, Experte für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie.

Allein: Das Commitment ist das eine. Die Umsetzung das andere. „Für ein wirksames, ganzheitliches, betriebliches Gesundheitsmanagement braucht es definierte Ziele, interne Ressourcen und Personen, die dafür verantwortlich zeichnen, dass entsprechende Strukturen installiert werden. Es muss gewährleistet sein, dass es passende Angebote und Anlaufstellen gibt, an die sich Mitarbeiter mit ihren Anliegen wenden können. Zudem sollte man überprüfen, ob beispielsweise Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen den vereinbarten Gesundheitszielen genügen. All das braucht allerdings Zeit, auch weil nicht in jedem Unternehmen eine Art Patentlösung umgesetzt werden kann."

Führung ist in der Krise gefordert
Im Hinblick auf mentale Gesundheit nehmen Führungskräfte eine Schlüsselrolle ein. Das Problem aber ist: Führungspersonen haben mitunter selbst mit den aktuellen Umständen zu kämpfen. Sei es eine Mehrbelastung, seien es Ängste oder Herausforderungen mit neuen Aufgaben und Tools. Sie müssen also einerseits das eigene Leben auf die Reihe bringen, während sie andererseits auf ihre Mitarbeiter und deren Themen eingehen sollten. „Fachliche Kompetenz reicht schon lange nicht mehr aus, um ein Team zu führen. Durch Corona ist der Bedarf an sozialer Kompetenz, emotionaler Intelligenz und Self-Leadership allerdings drastisch gestiegen“, konstatiert Psychologe Sprenger, der in jüngster Vergangenheit einige Führungskräfte dahingehend betreut hat.

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Fachliche Kompetenz reicht schon lange nicht mehr aus, um ein Team zu führen. Durch Corona ist der Bedarf an sozialer Kompetenz, emotionaler Intelligenz und Self-Leadership allerdings drastisch gestiegen

Psychologe Michael Sprenger

Neben der Beschäftigung mit der eigenen Person muss die Führungsriege aber eben auch erkennen können, welche Mitarbeiter überfordert sind oder womöglich sogar unter einem Erschöpfungssyndrom leiden. Aufmerksames Zuhören und Beobachten ist dabei ein erster entscheidender Schritt.

Verständnis zu signalisieren ist wichtig
In der Folge gilt es, das Gespräch mit den betroffenen Mitarbeitern zu suchen und ihnen dabei zu verdeutlichen, dass vonseiten des Arbeitgebers Verständnis besteht. Bei handfesten problemen muss ein Profi herangezogen werden bzw. dem Mitarbeiter die Möglichkeit geboten werden, sich an einen Experten zu wenden.

Neben dem Aufbau entsprechender Strukturen in den Unternehmen braucht es in Zeiten wie diesen auch die Unterstützung von Einzelpersonen - präventiv und reaktiv bzw. kurativ. Und ob jemand wirklich eine Behandlung braucht, wie lange diese dauert und ob zusätzlich zur Gesprächstherapie Medikamente zum Einsatz kommen, sei von Betroffenem zu Betroffenem natürlich ganz unterschiedlich, betont Sprenger: „Jeder Mensch hat eine andere Toleranzschwelle. Die einen leben nach dem Prinzip ‘Why worry?’, die anderen sind durch all die Einschränkungen derart negativ beeinflusst, dass es zu einem Erschöpfungssyndrom kommt. Da geht es dann darum, Dinge im eigenen Leben zu verändern, wieder neue Muster und Strukturen zu schaffen.“

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