Weltflüchtlingstag

Auf der Flucht: Ohne Zuhause und Zukunft

Tirol
20.06.2021 10:00

Mehr als 80 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht. Auf sie soll der Weltflüchtlingstag am Sonntag aufmerksam machen. Die Tirolerin Julia Falkner war für Ärzte ohne Grenzen in den Flüchtlingslagern, die „Krone“ hat mit ihr gesprochen. Nun resümiert sie.

Österreich hat schon zahlreiche Flüchtlingsbewegungen hinter sich, so flohen beispielsweise während der Monarchie über 4,3 Millionen Menschen aus Österreich-Ungarn, mehr als die Hälfte davon aus der westlichen Hälfte – die meisten von ihnen in die USA. Unter dem nationalsozialistischen Regime flohen Menschen, vor allem Juden, zahlreich aus dem Land. Auch nach dem Krieg suchten sich einige im Ausland Arbeit.

Solche Bilder könnten zur Seltenheit werden: Ärzte ohne Grenzen beobachtet besorgt die Errichtung eines neuen Flüchtlingslager aufSamos. Es soll eine „Black Box“ werden: Keiner komme hinaus oder hinein, auch Journalisten und NGOs müssen draußen bleiben. (Bild: ANGELOS TZORTZINIS GREECE (AFP) HANDOUT)
Solche Bilder könnten zur Seltenheit werden: Ärzte ohne Grenzen beobachtet besorgt die Errichtung eines neuen Flüchtlingslager aufSamos. Es soll eine „Black Box“ werden: Keiner komme hinaus oder hinein, auch Journalisten und NGOs müssen draußen bleiben.

Heutzutage ist Österreich ein Zielland für Flüchtlinge. Die Gründe für die Flucht liegen neben Krieg, Terror und Rohstoffkonflikten immer mehr auch bei Klimafolgen, die ganze Landstriche wegen Überflutung, Dürre oder Unwettern unbesiedelbar machen, wie die Plattform Asyl berichtete.

Hinter den EU-Grenzen
Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab, doch die Grenzen der EU sind schwer passierbar. Dafür sorgt beispielsweise auch das Abkommen mit der Türkei von 2016. Es entstanden an den Außengrenzen der Europäischen Union Flüchtlingslager. Die „Tiroler Krone“ interviewte zur Situation die Tiroler Hebamme Julia Falkner, die im Auftrag von Ärzte ohne Grenzen ein halbes Jahr auf der griechischen Insel Lesbos in den Flüchtlingslagern verbrachte. Ärzte ohne Grenzen legen nun einen Bericht zur Lage vor.

„Das Jüngste war sechs“
Die Lager würden entsetzliche Zustände aufweisen, auf Samos etwa gab es über ein Jahr lang nicht einmal sauberes Trinkwasser. 180 Menschen, zwei Drittel davon Kinder, würden auf Lesbos, Samos und Chios 2019 und 2020 wegen Selbstverletzungen und Suizidversuchen behandelt. Das jüngste Kind sei sechs Jahre alt gewesen. „Sie kommen an und denken sich, sie haben das Schlimmste hinter sich. Aber das stimmt nicht, denn dann sind sie in Moria. Dann hat es gebrannt und alle waren zwei Wochen auf der Straße und wir dachten uns, jetzt kann es aber wirklich nicht mehr schlimmer werden. Und dann kam das neue Lager und es wurde noch einmal schlimmer. Und die Leute zerbrechen.“

(Bild: AFP)

Die Organisation sehe auch mit Bestürzung, dass die geplanten Mehrzwecklager die Menschen in Gefangenschaft halten werden würden: Doppelte Stacheldrahtzäune sollen verhindern, dass die Geflüchteten hinauskommen – aber auch, dass Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen hinein gelangen. Schon jetzt ist sei so, dass im Lager Kara Tepe, wie Falkner erzählte, keine Journalisten mehr hineindürfen. Die NGO spricht von „Black Boxes“.

Doppelter Stacheldraht
Falkner berichtet von ihren Erfahrungen auf Lesbos, wo Frauen beispielsweise bereits zwei Tage nach einem Kaiserschnitt vom Gesundheitszentrum wieder in die Lager entlassen wurden, wo die hygienischen Standards für die Frauen nicht gegeben waren.

„Das Lager Moria dient als Blaupause für das neue gefängnisähnliche Zentrum auf Samos. Dort sollen Menschen in Schiffscontainern festgehalten werden, umgeben von Stacheldraht, mit kontrolliertem Ein- und Ausgang“, sagt Iorgos Karagiannis, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen.

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