„Krone“-Analyse
Ebrahim Raisi neuer Präsident: Retrowelle im Iran
Seit nunmehr 42 Jahren hält die klerikale Diktatur der Khomeini-Schiiten den Iran in ihrer Gewalt. Selten hat sich ein Regime in dieser Zeitspanne überhaupt nicht verändert. Es ist sogar Retro angesagt: Der Chefankläger in dem blutigen Justizapparat noch unter Revolutionsführer Khomeini, Ebrahim Raisi, ist jetzt in das Präsidentenamt getrickst worden, weil er ganz offensichtlich zum künftigen Nachfolger des derzeitigen (und erst zweiten) Obersten Revolutionsführers Ali Khamenei bestimmt ist.
Bei der Beurteilung dieses Regimes war und ist immer wieder die Rede von möglichen Reformer-Politikern. Diese hat es an den Schalthebeln der Macht nie wirklich gegeben, geben können: Präsident Chatami war keiner und Rouhani ist keiner. Es sind höchstens Pragmatiker, und Außenminister Zarif hat in der Regimehierarchie nichts zu sagen.
Die Gegenseite wird „Hardliner“ genannt. Der kommende Präsident hat dort seine Wurzeln, ist aber eher ein Populist, der sich als Kämpfer gegen die Korruption einen Namen gemacht hat.
Jeder Präsident hat nur den Spielraum, den der Oberste Führer ihm gewährt. Wer nicht folgt, wird bald abserviert wie der frühere „Hardliner“-Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad, dem diesmal, so wie anderen 257 Präsidentschaftsbewerbern, die Wiederkandidatur verweigert wurde.
Khamenei hält Fäden in der Hand
Die Elite des Regimes ist ein intrigantes Schlangennest. Der „Rahbar“ (Oberster Führer) Ali Khamenei hält virtuos die Fäden in der Hand, indem er die Unterlinge untereinander streiten lässt, gegeneinander ausspielt, und schließlich die letzte Entscheidung trifft.
Auch er ist nicht der ärgste der Hardliner. Er wägt lange ab, beachtet mögliche Risiken und trifft dann halbwegs rationale Entscheidungen. So ließ er zuletzt die Tötung des Chefs der Revolutionsgarden durch Präsident Trump, General Suleimani, trotz Racheschwüren ungesühnt. (Ali Khamenei weinte und lässt jetzt Denkmäler aufstellen).
Ähnlich verhält sich der „Rahbar“ zum Atomdeal. Er zögerte lange und lieferte dann die religiöse Begründung, Massenvernichtungswaffen seien „haram“ (verboten) – in stiller Erinnerung an Saddam Husseins Giftgas und die Raketenschüsse auf Teheran. Ali Khamenei hat seine Meinung nicht geändert, so dass erwartet werden kann, dass die Rückkehr zum Atomdeal noch unter der Amtszeit Rouhanis bis September unter Dach und Fach gebracht werden kann.
Darüber hinaus wird es aber keine weiteren Vereinbarungen etwa zur Raketenfrage geben. Khamenei hält sich zugute, dass er angeordnet habe, deren Reichweite auf 2000 Kilometer zu begrenzen: also bis Israel, aber nicht bis Europa.
Es wird oft argumentiert, dass wirtschaftliche Zwänge durch Sanktionen und Unfähigkeit das Regime zum Einlenken bringen könnten. Dies ist den Mullahs ziemlich egal, denn wenn es so wäre, hätten sie schon vor Jahrzehnten einlenken müssen. Sie ignorieren auch die erbärmliche Lage des Volkes (verschärft durch Corona). Ziel ihres Tuns und Treibens ist vielmehr nur, den Iran als Landebahn bereit zu halten für die erhoffte Rückkehr des „Mahdi“ (Messias, Erlöser), des der bösen Welt entrückten 12. Imam, der laut Verfassung das eigentliche Staatsoberhaupt des Iran ist.
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