Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller diesmal zur Solidarisierung des Fußballs mit sexueller Bildung in unserem Nachbarland.
Fußball ist nicht gerade dafür bekannt, besonders offen mit Homosexualität umzugehen. Wenn Fußballspieler demonstrativ eine Kapitänsbinde in Regenbogenfarben tragen und überlegen, bei einem EM-Spiel das Stadion in Regenbogenfarben leuchten zu lassen, muss schon etwas Gravierendes vorgefallen sein. Und das ist es auch: Ungarn hat ein strenges Gesetz gegen Pädophilie verabschiedet und in den Gesetzestext kurz vor der Abstimmung noch professionelle Sexualpädagogik hineingeschrieben. Kriminalisiert wird mit dem Gesetz nun in Zukunft jedwede Information über Homosexualität, die Jugendliche in der sexuellen Bildung, in Schulbüchern oder via Medien erreichen könnte.
Ratlos blickt man in das Nachbarland und wundert sich. Was könnte so bedrohlich am Sprechen über gleichgeschlechtliche Liebe sein, dass die bloße Erwähnung bereits als Pädophilie eingestuft wird? Um den Kinderschutz geht es in dem Gesetz nur vordergründig. Der (wichtige) Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern wird politisch vereinnahmt und zweckentfremdet. Wie bei einem Trojanischen Pferd schmuggelt das Gesetz ein Teilverbot professioneller Sexualpädagogik in das legitime Anliegen der Anti-Pädophilie.
Dabei wird so getan, als wäre das Sprechen über Homosexualität im Aufklärungsunterricht selbst eine Form der sexuellen Gewalt an Kindern. Homosexualität in die Nähe von Pädophilie zu rücken, hat eine lange Geschichte. Vor einigen Jahren habe ich noch in einem österreichischen Schulbuch ein Info-Kästchen gefunden, das den Begriff „Homosexualität“ neben „Pädophilie“ erklärt hat.
Auch dass Sexualpädagogen unterstellt wird, sie wären für eine Sexualisierung der Jugend verantwortlich, ist ein alter Vorwurf, der nicht wahrer wird, nur weil man ihn „bis zum Erbrechen“ wiederholt: ein Argumentationsfehler ad nauseam. Wenn Jugendliche als Teil ihrer sexuellen Bildung nicht nur über Verliebtheit und HIV, sondern auch über sexuelle Orientierungen sprechen, führt das nicht zu einer Sexualisierung, Verwirrung oder veränderten sexuellen Orientierung der Jugendlichen. Vom Reden über Homosexualität wird niemand lesbisch oder schwul. Genauso wenig, wie Jugendliche durch einen Aufklärungsunterricht in der Schule früher sexuell aktiv werden. Das ist wissenschaftlich belegt.
Entsprechend empört waren die Reaktionen auf das ungarische Gesetz quer durch Europa. Obwohl es als Zeichen für Diversität, Offenheit und Toleranz gedacht war, hat die UEFA der Beleuchtung des Münchner Fußballstadions in Regenbogenfarben allerdings eine Absage erteilt. Es ist ohnehin fraglich, ob sich Ungarn von der Symbolpolitik hätte beeindrucken lassen. Das dürfte bei einem gerichtlichen Nachspiel wegen der Verletzung europäischer Menschenrechte anders sein.
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