Emotionen um verbotenes Zeichen für Vielfalt im Fußballstadion. Wie ist die Situation sexueller Minderheiten in Österreich?
Nach dem Regen finden Bogen alle schön. In einem anderen Kontext sorgt er aktuell für Gewitter. Die UEFA hat verboten, die Allianz Arena im EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn in Regenbogenfarben als Zeichen für Vielfalt zu tauchen (siehe auch Video oben). Grund: Der Verband sei eine politisch und religiös neutrale Organisation. Hintergrund: ein in Ungarn verabschiedetes Gesetz. Es verhindert, dass Kinder und Jugendliche Infos über Homosexualität, Transidentität etc. erhalten. Dies sorgt für Streit in der EU und offenbart eine große Problemzone. Auch in Österreich.
Suizidgedanken
Zerplatzter Traum eines jungen Fußballers. Auf dem Sprung zu den Profis. Er ist am Ende. „Er will mit diesem Sport nichts mehr zu tun haben. Er hat auch Suizidgedanken“, sagt der Wiener Psychologe Paul Braunger. Der junge Mann ist sein Klient, wie viele andere Schwule. Das Thema Outing ist gerade in Bereichen wie Fußball heikel. „Wenn viele Männer zusammen sind, kann es zu Ausgrenzungen kommen.“ Braunger wünscht sich mehr Sichtbarkeit. „Es muss klar sein, dass es andere Identitäten abseits der Mehrheit gibt.“
Politik ist gefragt
Anna Szutt, Geschäftsführerin der Homosexuellen-Initiative Wien, sagt: „Die Politik macht wenig, um die Diskriminierung von LGBTIQ-Menschen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle und Queere; Anm.) zu beseitigen.“ Große Fortschritte wie die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare waren höchstrichterliche Entscheidungen. „Vor allem beim Diskriminierungsschutz, wie ein Rausschmiss aus dem Kaffeehaus nur, weil man lesbisch oder schwul ist, tut sich nichts. Unter Türkis-Grün wird das wohl ein Wunschtraum bleiben.“
Helmut Graupner ist ähnlicher Ansicht. Der Anwalt hat beim VfGH erfolgreich das Recht für die Ehe für alle erkämpft. Er ist spezialisiert auf Gleichbehandlung von sexuellen Minderheiten. Er sieht Österreich in einer speziellen Situation. Auf der einen Seite sei man vorbildlich, was die Ehe und Adoption für Homosexuelle betreffe, ebenso die Akzeptanz eines dritten Geschlechts. Andererseits sei man rückständig beim Diskriminierungsschutz abseits des Arbeitsplatzes.
Graupner erwähnt den Fall eines schwulen Pärchens, das in Pinkafeld aufgrund sexueller Orientierung in einem Hotel abgewiesen wurde. „Diese Art von Diskriminierung ist bei uns legal. Das ist absurd.“ Außer Österreich, Italien und der Slowakei verbieten alle EU-Länder Diskriminierung abseits des Arbeitsplatzes. „Selbst Polen, Ungarn und die Balkanstaaten. Warum sich die Bundespolitik dagegen stemmt, ist mir ein Rätsel.“ Auch wenn die Politik mehr Initiative zeigen könnte, so zeige sich das Land zusehends offen.
Angst vor dem Outing
Auch der Fußball, wo immer mehr Profis Farbe bekennen, wie Deutschlands Manuel Neuer mit seiner Kapitänsschleife, wird offener. Outings finden aber nicht statt. Der Erste, der es 1990 tat, der Engländer Justin Fashanu, zerbrach an Vorurteilen und Hetze. Er erhängte sich.
Heute gibt es bessere Nachrichten. Aus dem American Football. Vor zwei Tagen bekannte sich Carl Nassib von den Las Vegas Raiders in einem Video als schwul und erntete millionenfachen Beifall. Und sein Trikot ist seitdem der absolute Topseller der NFL.
Heikles Thema für Minister Mückstein
Heiß diskutiert: Homosexuelle und das Blutspenden. Männer, die Sex mit Männern hatten in den vergangenen vier Monaten, ist Blutspenden untersagt, bestätigt Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Bis vor Kurzem waren es zwölf Monate.
Anwalt Helmut Graupner: „Es handelt sich um einen nicht verbindlichen Algorithmus. Das Rote Kreuz hält sich auch nicht daran.“ Doch selbst wenn man die vier Monate einhalten würde, „wäre es einfach diskriminierend“. Zudem werde suggeriert, dass Homosexuelle gefährdeter seien als andere, HIV zu übertragen.
Mückstein: „Wie schon als Arzt setze ich mich auch als Minister für die Gleichstellung aller Menschen bei der Blutspende ein. Niemand darf mehr aufgrund seiner Identität oder sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Daran arbeiten wir gemeinsam mit voller Kraft.“
ÖBB fahren seit Jahren in Vielfalt
Bahnen setzen auf Diversität und orten Bewegung im LandDer Zug ist längst abgefahren. Seit zehn Jahren schon. Die ÖBB setzen offensiv auf Vielfalt. „Gleichbehandlung ist unverhandelbar“, sagt Diversity-Beauftragte Traude Kogoj. Tatsächlich sind die Bundesbahnen Vorreiter in Sachen Gleichbehandlung, wurden auch schon ausgezeichnet für ihre Aktivitäten.
„Wir waren 2012 als erster Großkonzern bei der Regenbogenparade in Wien dabei. Wir sind in ständigem Austausch mit der Community“, sagt Kogoj, die betont, dass es keine Quotenregelungen gibt für sexuelle oder andere Minderheiten. „Es ist ganz einfach. Bei uns sind alle willkommen. Wir wollen die Besten. Egal, welche Hautfarbe, Religion oder sexuelle Orientierung.“ Mittlerweile ortet Kogoj positive Bewegungen im Land. Man sei in engem Austausch mit anderen Großunternehmen wie der OMV oder Wiener Städtischen. „Österreich ist ein buntes Land. Dem sollte man auch gerecht werden.“
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