Schluss, aus, vorbei - im Achtelfinale hat die EM 2020 für Österreich ein Ende gefunden! Die Equipe des Halb-Italieners Franco Foda musste sich im Londoner Wembley-Stadion dem zuvor bereits 30 Spiele lang ohne Niederlage agierenden Italien nach Verlängerung knapp mit 1:2 geschlagen geben. Damit muss man von rot-weiß-roter Seite gegen die „Squadra Azzurra“ weiter auf den ersten Sieg seit dem 10. Dezember 1960 warten …
22.112 Tage ist es Stand heute her, dass eine ÖFB-Elf gegen Italien zuletzt gewinnen hatte können. Der aktuelle Teamchef Foda (Jahrgang 1966) war noch lange nicht geboren, als Österreich in Neapel dank Toren von Erich Hof und Ernst Kaltenbrunner 2:1 siegte. Nur zwei der damals eingesetzten Spieler sind noch am Leben, Vienna-Legende Hans Buzek (83) und Tormann Roman Pichler (80) - weiterhin gibt es keine Nachfolger für sie ...
Aber nun zum Match an sich: Stimmungsvoller und aggressiver mag die Hymnen-Intonation vonseiten der Italo-Stars gewesen sein, auf dem Grün stellte sich wiederum Österreich - mit derselben Erfolgs-Startelf im 4-2-3-1 wie gegen die Ukraine - als ein Team vor, das nicht angetreten war, um ein williges „Schlachtopfer“ abzugeben. Etwa mit dem ersten Foul nach 12 Sekunden oder der ersten Gelben nach knapp einer Minute - Marko Arnautovic hatte Nicolo Barella am gegnerischen Strafraum niedergegrätscht. Freilich: Das Spiel der Foda-Elf zielte keinesfalls darauf ab, Jagd auf die italienischen Akteure zu machen oder ihnen wehzutun.
Österreich gelang es in der Anfangsphase sehr ordentlich, Italien nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Weder durch die Mitte noch über die Außen (Leo Spinazzola!) konnte der Favorit gefährlichen Druck aufbauen - Chancen fehlten hüben wie drüben! Für den ersten Aufreger sorgte Italo-Stürmer Ciro Immobile, der beim Versuch, einen langen Ball zu erwischen, mit Daniel Bachmann zusammenprallte (7.). Auch am zweiten Aufreger war der ÖFB-Keeper beteiligt, einen Barella-Schuss entschärfte er mit einer glänzenden Fußabwehr (17.). Danach kippte das Match - weder Balleroberungen der Österreicher noch Umschalten oder Passspiel funktionierten fortan.
Unmittelbar nach der Barella-Chance hatte Arnautovic aus 30 Metern zwar noch versucht, den etwas weit vor seinem Kasten stehenden Italien-Goalie Gianluigi Donnarumma zu überlisten - mit Österreichs Offensiv-Spiel war‘s dann aber fürs Erste vorbei. Immerhin stand die rot-weiß-rote Defensive zumeist bombensicher, ein Durchkommen für die „Squadra Azzurra“ gab‘s nur selten. Etwa nach einer missglückten Abseitsfalle der Österreicher, als Immobile den hohen Ball nicht optimal annehmen und Alaba noch dazwischenspritzen konnte (25.) oder einem ansatzlosen Immobile-Distanzschuss aus rund 20 Metern, der am Lattenkreuz landete (32.).
Erst in den zehn Minuten vor der Pause bekam die Foda-Elf das Spiel wieder besser unter Kontrolle, ließ auch selbst wieder gelungene Kombinationen teilweise bis an den gegnerischen Strafraum folgen. Die schönste gelang Österreich über Arnautovic, der drei Italiener aussteigen ließ, und Schlager, dessen Flanke beinahe bis zu Christoph Baumgartner durchgekommen wäre (37.). Viel passierte im Anschluss daran nicht mehr, nach einem Schuss von Spinazzola (43./Bachmann wehrte zur Seite ab) ging‘s torlos in die Pause ...
Nach Wiederanpfiff änderte sich erst kaum etwas an der Spielcharakteristik - die im bisherigen Verlauf der EM offensiv so starken Italiener bissen sich weiterhin die Zähne an Österreichs Abwehr aus, vor allem an der letzten Defensiv-Linie mit Lainer, Dragovic, Hinteregger und Alaba. Letztgenannter ließ dann in Minute 52 sogar per Freistoß den Puls von Italien-Teamchef Roberto Mancini in die Höhe schnellen. Der Schuss von der Strafraum-Grenze ging nur knapp über das Gehäuse von Donnarumma - kein Tor, aber ein Weckruf! Die große Ballsicherheit, der große Druck und die große Kontrolle im Spiel nach vorne gingen bei Italien nun minütlich Alzerl um Alzerl verloren ...
Und plötzlich schien die Fußball-Welt überhaupt Kopf zu stehen: Nach Flanke von links köpfelte Alaba den Ball an die Latte und den Abpraller versenkte Arnautovic in den Maschen. Der rot-weiß-rote Jubel-Orkan erstarb aber relativ schnell, denn Schiri Anthony Taylor entschied nach VAR-Hinweis auf Abseits - ein bitterer Moment für Österreich. Unterkriegen ließen sich die Foda-Mannen aber keineswegs: Team Rot-Weiß-Rot übernahm nun vielmehr das Kommando im Spiel! Und in Minute 75 kreierte man auch den nächsten Schreckmoment für Italien: Nach einem Zweikampf zwischen Lainer und Matteo Pessina kontrollierte der Video-Schiri die Szene - und entschied wegen einer vorausgegangenen Abseitsstellung gegen Elfmeter.
Und Italien? Offensive Bemühungen gab es beim Weltmeister von 2006 zwar weiterhin, mehr als Halbchancen durch Manuel Locatelli (72./Weitschuss ging daneben), Lorenzo Insigne (73.) oder Domenico Berardi (82./Seitfallzieher flog in Richtung Themse) schauten dabei allerdings nicht heraus. Zudem schien man dem hohen Tempo, das man in Spielhälfte 1 gegangen war, langsam, aber sicher Tribut zollen zu müssen. Wenn überhaupt, lag eher das 1:0 für die nun ballsichereren und zweikampfstärkeren Österreicher in der Luft. Wenig überraschend daher, dass es in die Verlängerung ging!
Eher schon überraschend war dann, dass Italien mit dem ersten wirklich guten Angriff nach dem Wiederanpfiff auf 1:0 stellte. Der eingewechselte Federico Chiesa wurde von Österreichs Abwehr etwas zu stiefmütterlich behandelt, konnte im Strafraum eine weite Flanke von Spinazzola annehmen, düpierte im Anschluss den herbeigeeilten Laimer und traf dann an Bachmann vorbei ins rot-weiß-rote Gehäuse (95.). Foda reagierte zwar umgehend mit der Einwechslung von Sasa Kalajdzic (für Arnautovic), ein bisschen war die Luft bei Österreich in den kommenden Minuten aber draußen. Fatalerweise!
Denn die nun im Aufwind agierenden Italiener setzten nach und durften schließlich das 2:0 bejubeln. Nachdem Insigne zunächst mit einem Freistoß noch an Bachmann gescheitert war (104.) traf nach Chiesa der nächste Einwechsel-Spieler - Matteo Pessina schoss nach Vorarbeit von Franceso Acerbi aus nächster Nähe ein (105.). Die Entscheidung, unmittelbar vor dem Seitenwechsel in der Verlängerung? Nicht unbedingt, denn Österreichs Mannschaft zeigte Moral und auch ohne Offensiv-Leithammel Arnautovic Zug und Willen zum Tor. So scheiterte der gerade erst für Grillitsch gekommene Louis Schaub mit einem Schuss nur knapp an Donnarumma (107.).
Und auf einmal stand die Partie wieder auf des Messers Schneide: Denn nach einem Schaub-Corner köpfelte Kalajdzic aus Knie-Höhe zum 1:2 ins italienische Tor - übrigens ein historischer Treffer, mehr Infos dazu gibt‘s HIER! Der Auftakt für extrem spannende Schlussminuten, der EM-Mitfavorit sollte auch noch einmal ins Wanken geraten - allein, er fiel nicht mehr. Italien stieg ins EM-Viertelfinale auf, Österreich schied aus ...
Das Ergebnis:
Italien - Österreich 2:1 (0:0, 0:0) nach Verlängerung
London, Wembley-Stadion, 18.910 Zuschauer, SR Taylor (ENG)
Tore: 1:0 (95.) Chiesa, 2:0 (105.) Pessina, 2:1 (114.) Kalajdzic
Gelbe Karten: Di Lorenzo, Barella bzw. Arnautovic, Hinteregger, Dragovic
Österreich: Bachmann - Lainer (114. Trimmel), Dragovic, Hinteregger, Alaba - Grillitsch (106. Schaub) - Laimer (114. Ilsanker), X. Schlager (106. Gregoritsch), Sabitzer, Baumgartner (90. Schöpf) - Arnautovic (97. Kalajdzic)
Italien: Donnarumma - Di Lorenzo, Bonucci, Acerbi, Spinazzola - Barella (67. Pessina), Jorginho, Verratti (67. Locatelli) - Berardi (84. Chiesa), Immobile (84. Belotti), Insigne (108. Cristante)
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