Mit der offiziellen Eröffnung in 2400 Meter Seehöhe startete am Freitagnachmittag das derzeit größte hochalpine Kunstprojekt Österreichs in seine zweite Saison : In „Serpertine. Ein Hauch von Himmel (und Hölle)“ beschäftigen sich Künstler entlang der Großglockner Hochalpenstraße mit einem geschichtsbeladenen Verkehrsweg in einer übermächtigen Naturkulisse.
Die Tourismusattraktion allein erscheint nicht mehr ganz zeitgemäß und sie ruft mittlerweile nach Kunst. Dies gilt umso mehr, wenn die Verantwortlichen größere Ambitionen hegen: 2019 war die Aufnahme der Großglockner Hochalpenstraße in das UNESCO-Welterbe vertagt worden, die Bemühungen wurden jedoch nicht aufgegeben. „Wir glauben, dass zeitgenössische Kunst hier mit diesem ältesten und größten nationalen Baudenkmal im Hochgebirge eine ganz gute Kombination ist“, sagte Johannes Hörl, Generaldirektor der Straßenbetreibergesellschaft GROHAG.
Zunächst war das Projekt 2017 ohne Bezug zum gewünschten UNESCO-Status initiiert worden. Die Salzburger Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder dachte zunächst an Kunst im öffentlichen Raum, die sich ausgehend von der von 1930 bis 1935 errichteten Straße mit der Ersten Republik beschäftigen sollte. „Dieses zentrale Bauwerk des LandesSalzburgist mit politischer Selbstbehauptung sowie mit der Abgrenzung zum Dritten Reich verbunden“, sagte sie bei einer Eröffnung am Freitagnachmittag. Salzburg teilt sich die Straße mit Kärnten, auf dessen Territorium die zweite Hälfte der Straße liegt und das sich auch am Projekt beteiligte.
Bei einem Kuratoren-Wettbewerb konnte sich 2019 der Wiener Kulturhistoriker Michael Zinganel durchsetzen, der sich in den letzten Jahren auf kritische Kunstprojekte zum Tourismus spezialisiert hat. Ein Preview von „Serpentine“ wurde im vergangenen Jahr präsentiert, die voll entwickelte Version des bis 2022 laufenden Projekts wurde nunmehr rechtzeitig in Erwartung einer normaleren Tourismussaison 2021 eröffnet.
Zinganels Künstlerinnen und Künstler konnten an mehr als 20 hochalpinen Standorten am Straßenrand freilich aus dem Vollen schöpfen. Das hat freilich nicht nur mit dem beeindruckenden Setting zu tun, das am Freitag zunächst im Nebel lag, sondern auch an den wirkungsmächtigen modernistischen Mythologien der Straße.
Am diesbezüglich Sichtbarsten-Unsichtbarsten erweist sich dabei eine Arbeit von Ralo Mayer, der sich mit den „Erlkönigen“ beschäftigt. Die im Automobiljournalismus mit Verweis auf das Goethe-Gedicht genannten Testfahrzeuge großer Automobilkonzerne nutzen die Großglockner Hochalpenstraße sehr gerne als Teststrecke, verwenden dabei für ihre Prototypen Tarnbemalungen, die der Konkurrenz das Plagiieren erschweren soll. Mayer rekonstruierte derartige Muster in einer sehr modernistischen Formensprache, die ihrerseits auf die Entstehungsgeschichte der Straße als modernistisches Projekt verweist.
Am Straßenrand stehen nicht nur derart „getarnte“ Ersatzteile, verziert wurde auch eine imposante Schneefräse namens „Eisbändiger“. Naheliegende Verweise finden sich aber auch auf die Rolle von Gebirgspässen für Verkehr und Handel. So projizieren etwa Iris Andraschek und Hubert Lobnig in „Nomad. Ein riesiges Vergnügen“ die Thematik von Passüberquerungen in eine aktuelle, von Migration geprägte Welt. Am Straßenrand haben sie beladene Familienautos geparkt, die mit Teppichen überspannt sind oder Blumen geladen haben. Weiters soll das 2020 vor Ort gedrehte Video „Lichthöhe“, in dem etwa Pferde durch Parkhaus auf der Franz-Josefs-Höhe traben, an vergangene Warentransporte über die Berge erinnern.
Abgesehen von Kunstwerken, die insbesondere auf das modernistische Erbe der Straße verweisen, bleibt aber auch das heiße Thema Klimawandel nicht ausgespart. Anna Meyer setzt etwa auf romantische Landschaftsmalerei mit zeitgenössischen Bildelementen. Zwölf ihrer Bilder in Öl und auf Aluminium stehen am Straßenrand, teils mit dem Großglockner und dem immer schneller schmelzenden Pasterzengletscher im Hintergrund. Letzterer wird in einem Sujet mit einem gigantischen Mundnasenschutz überdeckt.
Unübersehbar ist aber auch jener goldener Porsche, den die bereits erwähnten Andraschek und Lobnig in einer weiteren Arbeit auf der Zufahrtsstraße zur Pasterze abgestellt haben: Das Künstlerpaar hat die Luxuskarosse in eine großen Kühlschrank verwandelt, in dem Gletscherschnee konserviert wird. Ein wenig erinnert das Fahrzeug dabei an einen Leichenwagen, am Rande des Begräbnisses wartet er auf die Abfahrt ins Krematorium.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.