Es dürfte wieder viel los sein auf dem berühmten Pariser Friedhof Père Lachaise, rund um das etwas abgelegene Grab Nummer 5, 6. Division, 2. Reihe. Vermutlich noch mehr als üblich an einem für Millionen Musikfans bitteren Datum. An diesem 3. Juli ist Jim Morrison - ein Künstler, auf den Begriffe wie Ikone, Reizfigur oder Kultstar wirklich mal zutreffen - 50 Jahre tot.
Ebenso lange schon lebt der morbide Mythos des Sängers der US-Band The Doors fort. Sein Grab ist seit den 70er Jahren ein Magnet für Tristesse-Touristen aus aller Welt, die mit Kerzen, Blumen und leisen Gesängen „zu Jim“ pilgern.
Rasant selbstzerstörerisch
Wenn man unbedingt einen Vergleich für Morrisons Charisma sucht, dann könnte man den Hollywood-Schauspieler James Dean nennen, der auch eine zwiespältige Faszinationskraft hatte und ebenso rasend schnell lebte bis zu seinem Autounfall 1955. Die selbstzerstörerische Seite des Rock-Posterboys ähnelt Nirvana-Frontmann Kurt Cobain, der seinem Leben 1994 ein Ende setzte, oder der 2011 jung an Drogenmissbrauch gestorbenen britischen Soul-Sängerin Amy Winehouse.
Bei dem am 8. Dezember 1943 als Sohn eines Marinesoldaten in Florida geborenen James Douglas „Jim“ Morrison war es wohl ein unglücklicher Zufall - eine fatale Mixtur aus Alkohol und Heroin oder Kokain, die am Morgen des 3. Juli 1971 zum Tod in der Badewanne eines Pariser Hotelzimmers führte. Seine Freundin Pamela Courson schlief derweil nebenan ihren eigenen Rausch aus. Um die Todesursache ranken sich einige Mythen, bis hin zum Komplott des US-Geheimdienstes CIA, wie der Sender ARTE in der TV-Dokumentation „Jim Morrison: Die letzten Tage in Paris“ schildert.
Hoffnung auf Inspiration
Düstere Ahnungen hatten den mit sechs Doors-Studioalben innerhalb von nur fünf Jahren zum Weltstar aufgestiegenen Morrison schon länger bewegt. Und „I‘m finally dead“ (Ich bin endlich tot), so habe eine seiner letzten Notizen gelautet, schreibt das Fachblatt „Rolling Stone“ in einer „Spurensuche“ zum traurigen Ende des vielleicht größten Idols der Hippie-Ära. Dabei wollte Morrison in Paris - weit genug weg von den ihn ausnutzenden „Freunden“ in Kalifornien - „sich Inspiration holen und seine Leidenschaft wiederfinden“, so die Autorin Birgit Fuß in ihrem neuen Buch „Jim Morrison. 100 Seiten“.
„So ähnlich wie bei Janis Joplin oder Jimi Hendrix, die kurz zuvor ebenfalls mit 27 Jahren gestorben waren, gab es ein unheimlich schnelles Aufleuchten, aber auch den schnellen Verfall“, sagt Professor Udo Dahmen, Leiter der renommierten Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Die Kerze brannte von beiden Seiten.“
Kinder ihrer Zeit
Die Bedeutung der Doors und ihres Sängers, der sich als Dichter verstand, sei kaum hoch genug einzuschätzen. Dahmen widerspricht damit dem Eindruck, die Mischung aus Psychedelic-Rock, Blues und Jazz - mit Songs wie „Light My Fire“, „People Are Strange“ oder „Hello, I Love You“ - habe reichlich Staub angesetzt. Aber natürlich sei die sehr heterogene Rockgruppe (neben Morrison noch Keyboarder Ray Manzarek, Gitarrist Robby Krieger und Schlagzeuger John Densmore) klar als Kind der mittleren bis späten 1960er Jahre erkennbar - einer Zeit, die gleichwohl bis heute ausstrahle.
„Da tauchte eine Band auf, die ja schon mit ihrem Titel für sich vereinnahmte, dass sie die Tür zu einer anderen Welt aufstoßen wollte - dabei aber offen ließ, zu welcher Welt“, sagt Dahmen. „Dazu gehörte die LSD-geschwängerte Drogenwelt genauso wie die Jenseits-Sehnsucht, die in Jim Morrison immer angelegt war.“ Als Morrison - wie kurz zuvor Brian Jones von den Rolling Stones, Hendrix und Joplin - 1971 tatsächlich dem makaberen „Club 27“ der jungen Drogentoten des Rock beitrat, „war er sofort legendenfähig“. In den Doors-Jahren hatte der zunächst äußerst attraktive Sänger und Songschreiber mehr als hundert Lieder verfasst und sich mit vollem Körpereinsatz bis hin zur Genital-Entblößung in lange Konzerte gestürzt. „Mein größtes Talent ist, dass ich einen Rieseninstinkt für Selbstdarstellung habe“, sagte er 1970 in einem Interview.
Opus Magnum
Die in kurzer Abfolge herausgehauenen Doors-Platten wurden von der Kritik überwiegend gefeiert. Besonders markant - und schön düster: der Song „The End“, mit dem der Regisseur Francis Ford Coppola später sein Kino-Meisterwerk „Apocalypse Now“ untermalte. Zu einer Passage des Liedes sagte Morrison vieldeutig: „Aber die Menschen fürchten den Tod noch mehr als Schmerz. Es ist seltsam, dass sie den Tod fürchten. Das Leben schmerzt mehr als der Tod. Mit dem Zeitpunkt des Todes ist der Schmerz vorbei. Ja, ich denke, er ist ein Freund...“
Beerdigt wurde der früh vollendete Musiker in seiner letzten Heimat, der französischen Hauptstadt. In der Nähe des unglücklichen Song-Poeten sind berühmte Dichter beigesetzt, etwa Jean de La Fontaine, Molière, Gérard de Nerval oder Oscar Wilde. Doch Morrisons Grab ist eines der meistbesuchten von Père Lachaise. Der Mannheimer Pop-Professor Dahmen sieht den US-Sänger als Pionier der Verbindung von Text und Musik im Rock-Genre. Anklänge an The Doors erkennt er „etwa beim Postpunk, bei Patti Smith und Nick Cave, bei Independent-Musik, die einen stark psychedelischen Touch hat und textbezogen ist“. Zudem fasziniere „der anarchistische Charakter von Morrison“ auch junge Menschen bis heute.
Die wichtigsten Werke
Und was sollte man nun unbedingt sehen oder hören zum 50. Todestag? Dahmen empfiehlt Oliver Stones Biopic-Film „The Doors“ (1991) mit einem grandiosen Val Kilmer: „Die Fakten stimmen vielleicht nicht alle, aber die Atmosphäre stimmt, und der Hauptdarsteller passt perfekt.“ Als musikalische „Einstiegsdrogen“ nennt der Experte zwei Songs von Anfang und Ende der Doors: „Break On Through (To The Other Side)“ von 1967 und „Riders On The Storm“ von 1971.
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