Ganzjährig geöffnet

Mercedes E-Klasse Cabrio kann auch im Winter offen

Motor
06.03.2011 13:26
Ja, es ist so kalt, wie es auf dem Foto ausschaut: minus 5,5 Grad. Stellt sich die Frage: Ist es auch so cool, wie es ausschaut, mit diesem E-Klasse-Cabrio durch diese herrliche Winterlandschaft im Weinviertel zu cruisen? Bisher sind mit nur die Finger halb abgefroren, beim Fotografieren. Aber immerhin hat Mercedes fünf Dinge für die winterliche Cabrioseligkeit eingebaut – klingt vielversprechend...

Das Verdeck ist bereits offen, ich hatte den Verdeckknopf (Ding 1) irgendwann in der Handauflage für den Comand-Bedienknopf gefunden, Ding 2 (die Heizung) wärmt mir die klammen Finger bis sie prickeln, die Sitzheizung (Ding 3) findet den Weg bereits durch Jacke und Hose, nebenbei schalte ich den Airscarf (Ding 4) ein. Eine geniale Mercedes-Erfindung: Elektrisch erwärmte Luft strömt unter den vorderen Kopfstützen hervor und wärmt den Nacken, die Blasrichtung ist verstellbar.

Gut, sobald die Finger das unbeheizte Lenkrad wieder greifen können, geht’s los. Es strömt warm aus allen Richtungen, und trotzdem wird’s unten herum kalt. Klar, ich habe die neueste Errungenschaft (Ding 5) noch nicht aktiviert: Aircap! Das ist ein sechs Zentimeter hoher Spoiler, der aus dem Windschutzscheibenrahmen herausfährt und in Kombination mit dem ebenfalls elektrisch hochfahrenden Windschott zwischen den Rücksitz-Kopfstützen eine Art Lufthaube (daher der Name) bildet, die den Luftzug vom Fahrzeuginneren abhält und Unterdruck vermeidet. Ich spüre richtig, wie sich die Kalt-Warm-Grenze nach oben verschiebt, während sich die riesige Augenbraue auf die Frontscheibe setzt. Schön ist das nicht, aber sehr effektiv.

Das virtuelle Dach ist etwas fragil
Kalt wird es tatsächlich nur am Kopf, vor allem das zur Mitte zeigende Ohr (beim Fahrer also das rechte) bekommt Frost ab. Es empfiehlt sich, eine Haube aufzusetzen. Der Luftstrom oben herum ist zwar eisig, aber nicht sehr stark, sodass die Kopfbedeckung auch bei Autobahntempo nicht zum Abflug neigt. Die unsichtbare Wärmeglocke funktioniert, solange man geradeaus fährt und sich keinen anderen Autos nähert. Bei Kurvenfahrt strömt der eisige Fahrtwind in den Innenraum und trübt den Wärmesee (wie Mercedes das nennt). Auch die Luftwirbel überholter Fahrzeuge auf der Autobahn stören die „Warmonie“; noch mehr virtuellen Dachschaden richten vorausfahrende Autos an (also brav sein und nicht nah auffahren!). Solcherart lässt es sich sogar auf den Rücksitzen bei offenem Verdeck aushalten, was selten ist.

So schaut also Offenfahren ohne wirklich offen zu fahren aus. Konsequenter machen die Stuttgarter das nur beim neuen SLK, der kein Aircap hat, sondern ein Faltdach, das auf Knopfdruck durchsichtig wird, dabei aber massiv bleibt.

E-Klasse empfiehlt sich auch als "normales" Cabrio
Im „normalen“ Cabriobetrieb im Sommer wird man diese ganzen Weichmacher weglassen, wenn man es einigermaßen ernst meint mit der Cabriofahrerei; dann freut man sich an bügelfreier Fahrt und dem Wissen, dass im Überschlagsfall ein Überrollschutz hinter den Rücksitzen (massiv, nicht virtuell) hervorschnellt. Außerdem gibt’s jede Menge Airbags (unabhängig von Airscarf und Aircap).

Das Schließen des Daches dauert insgesamt knapp 30 Sekunden und funktioniert auch während der Fahrt bis 40 km/h. Und dann geht der Luxus weiter. Denn es herrscht Stille im Innenraum, so sehr, wie ich es mir in manchen Limousinen wünschen würde. Kaum Windgeräusche (überhaupt bietet das E-Klasse-Cabrio mit cW 0,28 dem Wind wenig Angriffsfläche). Nur die Seitenscheiben knistern ein bisschen in der Kälte. Das Akustikverdeck leistet echt gute Arbeit, ist ja auch 2,35 Zentimeter dick, was auch gut gegen Kälte ist. Das ist eigentlich mit Wintertauglichkeit gemeint. Der Airscarf funktioniert auch bei geschlossenem Dach, was beim Losfahren an einem kalten Wintermorgen guttut.

Einsteigen und sich wohlfühlen
Ansonsten läuft im Testwagen das bewährte E-Klasse-Wohlfühlprogramm. Gediegen sachlich nobles Ambiente, klare Ansagen vonseiten der Instrumente, ein zu tief liegender Blinkerhebel, dafür perfekte Tempomatbedienung, bequeme Sitze (leider mit wackeligen Lehnen), das nicht mehr ganz taufrische, aber praktische Comand-Bediensystem, Scheibenantenne, durchaus Platz auf den Rücksitzen (nicht so viel wie in der Limousine, der Radstand entspricht der C-Klasse), ebenso im Kofferraum. Da passen 390 Liter rein, mit offenem Dach nur 300, das Gepäck sollte dann auch eher flach sein.

Nicht ganz zur high quality passt, dass die Türen nicht zum Offenbleiben zu überreden sind, wenn das Auto an einer Steigung (bei mir zu Hause vor dem Haus) geparkt wird. Auch der Kofferraumdeckel fällt zu. Beim Aussteigen muss man aufpassen, dass die Tür einem nicht die Fensterkante in die Rippen rammt.

Sonst ist Gemütlichkeit angesagt. Das (aufpreispflichtige Sport-) Fahrwerk ist auf angenehme Art komfortabel, aber durchaus verbindlich, für die (ebenfalls aufpreispflichtige Parameter-) Lenkung gilt das Gleiche. Wer mit ihr nicht klarkommt, greife zu einem BMW oder sogar Porsche, da ist der Zugang zum Thema Auto ein sportlicherer. Angenehm weich ist auch die Automatik, die hier im E 250 CGI allerdings nur fünf Fahrstufen hat, Siebengang gibt’s nur in Verbindung mit sechs oder acht Zylindern.

Wenn schon, denn schon
Vier Zylinder also. Anders, als die Modellbezeichnung vermuten lässt, messen sie insgesamt 1,8 Liter Hubraum, die Leistung beträgt 204 PS. Bei niedrigen Drehzahlen fehlt es etwas an Fülle, das maximale Drehmoment von 310 Nm liegt bei 2.000/min. an. Das alles ist okay für dieses Fahrzeug, wenn auch nicht ganz so souverän wie sein Rest. Der Motor klingt ein wenig zu angestrengt, wenn man ihn fordert, auch wenn er dabei – Dämmung sei Dank – nie wirklich laut wird. Als stimmig für so ein edles Cabrio empfinde ich ihn nicht. Der Testverbrauch lag im Durchschnitt bei 11,4 Litern auf 100 Kilometer.

Der Preis des Testwagens inklusive Extras wie Airscarf, Aircap (das ist natürlich alles nicht serienmäßig) usw. beträgt über 73.000 Euro, bei einem Einstiegs-Listenpreis von knapp 57.000 Euro (unter 50.000 für den E 200). Das Vergnügen unter einem Luftdach in Wärme zu baden, ist also kein billiges – aber durchaus ein exklusives.

Stephan Schätzl

Warum?

  • Das ganze Jahr Cabrio-Saison – das hat was! 
  • Ein echt schönes Cabrio - auch geschlossen.

Warum nicht?

  • Irgendwie konterkariert das alles den eigentlichen Cabriogedanken. Aber man muss die Extra-Wärme auf der Aufpreisliste (Cabriolet Komfotpaket 1.405,98 Euro) ja nicht ankreuzen.

Oder vielleicht …

  • … doch gleich die Limousine? Sonst natürlich Audi A5, BMW 3er jeweils als Cabrio. In Sachen Ganzjahrescabrio gibt’s praktisch keine Konkurrenz.
  • E 500. Ist aber eine Geldfrage.
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(Bild: KMM)
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