Mit dem Start der Verteilung von hunderttausenden Laptops und Tablets an die Schüler der fünften (und im ersten Jahr auch sechsten) Schulstufe will die ÖVP den Worten von Kanzler Sebastian Kurz zufolge „die größte Reform“ umsetzen, die es seit Einführung des Schulbuchs gegeben hat. Da drängt sich die Frage nach dem Zustand der Schulbuchaktion als österreichische Vorbild-Errungenschaft der Ära Kreisky geradezu auf. Denn was unbedingt nötig ist, sind entsprechende digitale Lerninhalte. Aber das Geld reicht in der Realität schon lange nicht mehr für die gedruckten Bücher aus, wie ein krone.at-Rundruf an heimischen Schulen bestätigt. Und die Misere wird durch die Kosten für die digitalen Angebote nur noch weiter verschärft.
Kanzler Kurz und Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) haben die Laptop- und Tabletklassen als Teil des Acht-Punkte-Plans zur IT-Ausstattung österreichischer Schulen zum Herzstück ihrer Reformpläne gemacht. Insgesamt stehen 250 Millionen Euro für die Digitalisierungsoffensive an den Schulen zur Verfügung.
„Die Chancen und Möglichkeiten im digitalen Bereich können damit wirksam genutzt werden; innovative Lehr- und Lernformate werden im Bildungssystem breitflächig Anwendung finden“, ist ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner voll des Lobes. Eine flächendeckende Umsetzung des digital unterstützten Lehrens und Lernens und innovative Lehr- und Lernformate werden versprochen.
Es geht sich laut Schulbuchreferenten hinten und vorne nicht aus
Doch genau die Inhalte sind der Knackpunkt. Denn bei den Schulbuchbestellungen musste heuer - wie berichtet - für das kommende Schuljahr nicht nur bei den „Papierbüchern“ sondern auch digital jongliert werden. Es gehe sich hinten und vorne nicht aus, und oft stellt sich den zuständigen Schulbuchreferenten die Frage, was weggelassen werden muss, hieß es aus den Schulen.
Ging es sich in der Vergangenheit also schon bei den gedruckten Büchern seit Jahren nur mehr schlecht als recht aus, gilt dies nun umso mehr für die digitalen Schulbücher. Konkret geht es um die sogenannten E-Book+ (also approbierte E-Books mit multimedialen, interaktiven Online-Anwendungen und nicht bloße PDF-Versionen der Schulbücher).
Diese EBook+ haben in der Schulbuchaktion für das Jahr 2021/22 erstmals einen Preis erhalten und müssen dementsprechend von den Schulbuchreferenten im Budget berücksichtigt werden. Die Schulen waren zunächst von den zusätzlichen Millionen der Regierung für genau solche digitalen Angebote auch durchaus angetan. Überhaupt machte sich im Frühjahr Optimismus breit, wurden doch die Mittel für die Schulbuchaktion für das kommende Jahr erstmals seit rund zehn Jahren wieder erhöht.
Schulbuchbestellungen eine „Gemeinheit“
Der Optimismus seitens der im Jonglieren geübten Schulbuchreferenten des Landes schlug jedoch schnell in Frustration um. Denn es gehen sich kaum mehr als EBook+ für ein oder höchstens zwei Schulfächer mit dem Geld aus, so die ernüchternde Erkenntnis. Und das nicht mal für alle Schulstufen der Sekundärstufe. Gegenüber krone.at ist mit Blick auf die kaum öffentlich diskutierten Kostenmisere - es geht immerhin um die Bildung der künftigen Generationen - unter anderem von einer „Gemeinheit“ die Rede (und das ist noch eines der harmloseren Beschreibungen, die zu hören waren).
Die Bestellsituation habe sich „permanent verschlechtert“ und habe heuer (mit dem Digital-Budget; Anm.) „einen neuen Höhepunkt erreicht“, ärgert sich eine Schulbuchreferentin. „Mit Würgen und Brechen“, beschreibt eine andere Referentin, die in Sachen Schulbüchern „schon viel mitgemacht“ hat, die Bestellungen im Gespräch mit krone.at. Heuer habe sie dann „fast der Schlag getroffen“, als es ans Bestellen der EBook+ ging.
WKO sieht Versorgung durch sinkende Preise gesichert
Die Wirtschaftskammer sieht es anders und will auf krone.at-Anfrage Hoffnung machen: Mit dem Schuljahr 2023/24 werden die Preise der EBook+ sinken, dies wurde bereits fixiert. Somit könnten Schulen „letztendlich mehr Produkte im Rahmen des zur Verfügung stehenden Schulbuchlimits anschaffen können, was zu einer besseren Versorgung der Schulen mit E-Book+ führt“, betont Karl Herzberger vom Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft. Der WKO zufolge haben sich die Bestellungen jedenfalls erfreulich gut entwickelt, „es gibt keinen spürbaren Rückgang“, so Herzberger.
Gute „Software“ in Form von Bildungsinhalten ist für die Digitalisierung der Schule unbedingt erforderlich, darin sind sich eigentlich alle einig. Will die Regierung in Sachen Digitalisierung echte interaktive und ansprechende Lernmaterialen den Schülern zugänglich machen, die in Form der EBook+ auch laufend weiterentwickelt werden, wird sie laut denen, die wohl am besten Bescheid wissen - den Schulbuchreferenten - mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Sonst sitzen am Ende die Schüler vor den Laptops, aber die digitalen Bildungsinhalte fehlen.
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