Es ist der 15. Femizid in diesem Jahr und es ist ein besonders fürchterlicher: Die 13-jährige Leonie aus Tulln in Niederösterreich wurde unter Drogen gesetzt, sexuell missbraucht, ermordet und am Straßenrand abgelegt. Tatverdächtig sind mindestens vier Männer aus Afghanistan, zwei von ihnen amtsbekannt und vorbestraft. Warum zwölfjährige Schülerinnen abgeschoben werden, amtsbekannte Kriminelle aber bleiben dürfen - das hat krone.tv-Journalistin Damita Pressl diese Woche mit ihren Gästen, dem Asylanwalt Wilfried Embacher, sowie dem Chronik-Ressortleiter der „Krone“, Christoph Budin, besprochen.
Die Hauptprobleme: viel zu lange Asylverfahren, inzwischen seit Jahrzehnten, und mangelnde Kommunikation und Kooperation zwischen den Behörden, da sind sich Budin und Embacher einig. Budin: „Die Gerichte sind einfach überlastet und müssen Tausende Beschwerden abarbeiten. Die gesetzliche Drei-Monats-Frist ist kaum zu halten. Wenn einer permanent das Gesetz bricht - und das war in dem Fall so - muss konsequent abgeschoben werden.“
Doch rechtlich ist das nicht so einfach, erklärt Embacher, denn wir sind an die EMRK gebunden: „Wenn der Schutzstatus aberkannt wird, heißt das noch nicht, dass eine Abschiebung zulässig ist. Das ist rechtlich durchaus denkbar: Wenn die Bedrohung im Heimatstaat weiter angenommen wird, kann zwar der Schutzstatus aberkannt werden, aber nicht die Abschiebung für zulässig erklärt werden. Ich darf in ein Land nicht abschieben, wenn dort gewisse Gefahren drohen.“ Wer das noch verstehen soll? Wohl niemand, sagt Budin: „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht in Rechtsparagrafen verlieren. Man muss ja den Menschen draußen erklären können, warum jemand 2015 kommen kann und 2021 mit elf Vorstrafen noch immer in Österreich ist. Das versteht ja ein normaler Bürger unmöglich.“
Doch genau das ist passiert - einer der Tatverdächtigen konnte trotz Drogen- und Gewaltdelikten in Österreich bleiben. Justiz und Innenministerium schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Embacher akzeptiert die Erklärung des Innenministeriums nicht: „Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) selbst hat regelmäßig zu prüfen, ob die Duldung noch gerechtfertigt ist, und kann diesen Status ändern. Wenn es stimmt, dass die Minderjährigkeit der Grund für die Duldung war, muss ich am 18. Geburtstag aktiv werden.“ Das Argument, dass der Bundesverwaltungsgerichtshof (BVwG) die Zulässigkeit der Abschiebung hätte ändern müssen, sei „absolut unrichtig und ein Abschieben von Verantwortung. Das BFA hat selbst die Möglichkeit, bei geänderten Umständen einen neuen Bescheid zu erlassen“, bekräftigt Embacher.
Statt zu streiten, müssten die Behörden kooperieren, erklärt Budin: Denn beim dritten Verdächtigen habe der BVwG das Verfahren eingestellt, weil keine Wohnadresse bekannt war, die Bewährungshilfe habe ihn aber in der Zeit betreut. Das sei ein „Multiorganversagen des Systems. Die rechte Hand weiß nicht was die linke macht. Auch das versteht kein Mensch.“
Budin fährt fort: „Wir kommen durch das Hin- und Herschieben der Verantwortung nicht weiter. Wir reden seit 20 Jahren eigentlich über die gleichen Probleme.“ Dazu kommt, dass es rechtlich gar nicht möglich ist, straffällige Menschen abzuschieben, egal, was sie im Herkunftsland erwartet. „Das würde bedeuten, dass wir die EMRK kündigen müssen“, sagt Embacher.
Nicht zuletzt, so Budin, leidet die große Mehrheit der flüchtenden Menschen unter solchen Fällen. „Es sind ganz viele - vom Dolmetscher über den Essenslieferanten bis zum Lehrling - die versuchen, sich zu integrieren. Nach so etwas wird jeder Afghane im Park schief angeschaut. Das ist ja auch nicht in Ordnung. Wir müssen einfach in den Einzelfällen schneller werden.“
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