Vielleicht fällt es nur wenigen auf, aber bei der Fußball-EM 2020 hat es bereits einige sehr seltsame Verletzungen gegeben - ohne Fremdeinwirkung! Jüngstes Beispiel: Leonardo Spinazzola. Aber auch zuvor gab es schon für den neutralen Beobachter unverständliche Szenen. Langsam lässt sich wirklich die Frage stellen: Merkt die UEFA die Überbelastung der Spieler nicht, oder betrachtet sie die Spieler als eine Art „moderne Gladiatoren“?
Minute 3 beim Viertelfinal-Spiel Schweiz gegen Spanien. Pablo Sarabia fasst sich plötzlich an den Oberschenkel. Trainer Luis Enrique schickt Dani Olmo zum Aufwärmen. Sarabia macht mit Müh und Not weiter, der Lazio-Spieler muss aber zur Pause ausgewechselt werden. Diagnose: Adduktorenzerrung - er fehlt gegen Italien im Halbfinale.
Minute 70 beim Viertelfinale Belgien gegen Italien: Nacer Chadli, der in der Türkei bei Istanbul Basaksehir spielt, wird eingewechselt. Minute 73: Chadli flankt gefährlich zur Mitte, zerrt sich allerdings einen Oberschenkelmuskel. Nur vier Minuten nach seiner Einwechslung muss er ausgetauscht werden. Ihm droht ein Ausfall von mehreren Wochen.
Dann der Klassiker schlechthin: Leonardo Spinazzola. Wie Chadli geht auch Italiens EM-Held Spinazzola ohne Fremdeinwirkung in Minute 76 beim Spiel gegen Belgien zu Boden und kann nicht mehr aufstehen. Die Diagnose: Achillessehnen-Riss. Ein halbes Jahr wird er nicht spielen können.
Lange Liste
Die Liste ist noch viel länger, das sind nur die bekanntesten Fälle. Und wir haben noch nicht darüber gesprochen, wie viele Muskelzerrungen es kurz vor der EM gab. Hier ein kleiner Überblick: Lorenzo Pellegrini, Stefano Sensi (beide Italien), Trent Alexander-Arnold, David Strelec (SVK) und Spaniens Dani Carvajal mussten deswegen w. o. geben.
Keine Frage: Die bei der EM antretenden Fußballer sind hoffnungslos überbelastet! Einige, wie David Alaba, hatten heuer schon um die 60 Pflichtspiel-Auftritte. Eine ungeheure Zahl. Und ab 2024 hebt die UEFA die Zahl der Champions-League-Gruppenspiele von sechs auf zehn an. Und das ohne Auswärtstorregel. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, das zu überdenken und zum Schutze der Spieler zu handeln.
Im antiken Rom waren Panem und Circenses (Brot und Spiele) nötig, um das Volk bei Laune zu halten. Die Spiele waren meist Gladiatoren-Kämpfe, bei denen es oft vorkam, dass ein Kämpfer sterben musste, eine Verletzung der Akteure war praktisch einkalkuliert. Herrscher und Volk amüsierten sich also auf Kosten der Kämpfer.
EURO als Warnschuss?
Der Fußball sorgt für die gute Bezahlung der „modernen Gladiatoren“, die UEFA aber scheint zu ignorieren, dass die Spieler körperlich ihre Grenzen haben. Und die EURO war wohl erst ein Warnschuss.
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