Österreich macht dem Bargeld die Mauer - doch wie lange hält sie noch? Denn die EU macht aktuell einen weiteren Schritt zur Abschaffung von Scheinen und Münzen.
Aber nicht von heute auf morgen - es ist ein schleichender Prozess, an dessen Ende wohl die Abschaffung des Bargeldes, wie wir es kennen, steht. Die EU-Kommission wird nämlich in den nächsten Wochen einen Entwurf für eine Geldwäsche-Richtlinie vorlegen, in der unter anderem eine Bargeld-Obergrenze von 10.000 Euro enthalten sein soll. Waren, Dienstleistungen und Co., die darüber liegen, dürfen dann nicht mehr „bar auf die Kralle“ beglichen werden.
Österreich ist von diesem Vorhaben wenig begeistert. Es kommt also nicht von ungefähr, dass sich inmitten der neuerlich aufkeimenden Debatte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) als „Bargeld-Bote“ in Szene setzte und zehn Millionen Euro in 50er- und 10er-Noten in der Nationalbank vorbeibrachte: „Bargeld gibt den Menschen ein Gefühl von Sicherheit, Unabhängigkeit und Freiheit. Wir haben zu Beginn der Pandemie gesehen, dass die Menschen als Erstes die Bankomaten gestürmt haben, um sich mit Bargeld zu versorgen“, so Blümel. Er werde „keine schleichende Abschaffung akzeptieren“.
„9000 Bankomaten halten das Land flüssig“
Ins selbe Horn stößt der Gouverneur der OeNB, Robert Holzmann: „Bargeld ist und bleibt das einzige Zahlungsmittel, das ohne jedes technische Hilfsmittel verwendet werden kann. Es erfüllt hier eine bedeutende Funktion - nicht nur in Krisen und Notfällen, sondern auch durch die Wahrung der Privatsphäre.“
Österreichweit sorgen rund 9000 Bankomaten für eine flächendeckende Versorgung mit Bargeld. Und nach wie vor sind Scheine und Münzen das bevorzugte Zahlungsmittel im Land. Laut einer Studie der Agenda Austria begleichen 42 Prozent der Österreicher ihre Schulden am liebsten in bar, 32 Prozent bargeldlos. Knapp ein Viertel hat keine Präferenz. Im EU-Vergleich greifen nur die Deutschen und Zyprioten noch lieber ins bewährte Geldbörsl.
Im Durchschnitt haben wir übrigens 86,50 Euro im Portemonnaie - deutlich weniger als vor Beginn der Corona-Krise.
Angst vor totaler Kontrolle
Das Bargeld abzuschaffen würde einen Schritt zum Verlust von Freiheiten bedeuten, warnen Ökonomen und Finanzmarktexperten. Die Abschaffung oder Beschränkung des Bargeldes wäre ein schwerer Fehler der EU, sagt Nikolaus Jilch, Ökonom von Agenda Austria.
In Skandinavien, wo bargeldloses Bezahlen en vogue ist, sehe man die Folgen: „Das hat auch psychologische Gründe. Wenn ich etwas in der Hand habe, gebe ich es nicht so leicht her wie digital. In Schweden ist eine starke Verschuldung zu beobachten.“ Das Argument der Bekämpfung von Kriminalität führe ins Leere. „Mafiöse Organisationen finden andere Wege. Und all die vielen anständigen Leute bei uns laufen Gefahr, noch mehr kontrolliert und verdächtigt zu werden.“
Ähnlich sieht es Gerald Hörhan. Der Investmentexperte sagt: „Natürlich vereinfacht digitales Zahlen Abläufe. Aber wollen wir das auf Kosten unserer Freiheit? Wollen wir sein wie China?“ Auch Hörhan versteht das Kriminellen-Argument nicht. „Verbietet man Bargeld, dann zahlen Gangster mit Gold, Diamanten oder Rolex-Uhren.“ Bargeld sei eine der letzten Säulen, damit Menschen in ihrem Verhalten nicht vorhersehbar seien.
Die digitale Bezahlung ist viel effizienter und erleichtert viele Vorgänge. Die schleichende Abschaffung des Bargelds findet schon statt. Damit aber droht auch die totale Überwachung.
Gerald Hörhan, Investmentexperte
Sicher sind sich beide Experten: Eine schleichende Verdrängung des Bargeldes ist durch die sukzessive Digitalisierung im Gange. Selbst wenn sein Erhalt verfassungsmäßig geschützt werden sollte.
„Kampf gegen Schwarzgeld“
Im „Kampf gegen Schwarzgeld, Steuerhinterziehung und Terrorfinanzierung“ will Brüssel seit Jahren einheitliche Grenzen für Barzahlungen. Bisher hat jedes Land eigene Regeln. In Österreich muss man nur beim Kauf von Gold oder Silber ab 10.000 Euro einen Ausweis vorlegen, sonst gibt es keine Einschränkungen.
Anderes Extrem ist Griechenland, wo eigene Bürger alles über 500 Euro mit Kreditkarte oder Banküberweisung zahlen müssen. Überhaupt sind die Südländer etwas strenger - wohl um die grassierende Schattenwirtschaft sowie Steuerbetrug halbwegs einzubremsen. Manche haben komplizierte Zwischenlösungen, wie Dänemark und Norwegen, wo Waren unbeschränkt, Dienstleistungen aber nur betraglich limitiert bar gekauft werden dürfen.
Vorstöße zu einer einheitlichen Obergrenze hat Brüssel in den letzten Jahren schon mehrfach unternommen. Ein Argument ist, dass die derzeit großen Unterschiede zwischen den Ländern quasi wettbewerbsverzerrend sind, weil sie die Händler in Staaten ohne Limits begünstigen. Außerdem hätten kriminelle Organisationen sowie Terroristen so jede Menge Schlupflöcher, um auch hohe Barmittel locker verschieben und „waschen“ zu können.
Die nun wieder von der EU-Kommission ins Spiel gebrachte Obergrenze von 10.000 Euro ist übrigens nicht ganz zufällig gewählt. Sie entspricht der geltenden Summe an Bargeld, die man an der Grenze deklarieren muss, wenn man sie bei Ein- oder Ausreise in die EU-27 mitführt. Ob es das verpflichtende Barzahl-Limit bald gibt, ist jedoch fraglich, weil alle Länder zustimmen müssten. Subtiler hingegen hat Europa Schwarzgeld, Steuerbetrug und Terrorfinanzierung bereits ins Visier genommen: 2014 wurde der Druck der 500-Euro-Scheine eingestellt, seit 2019 bringt etwa Österreichs Nationalbank keine mehr in Umlauf.
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