Jedes fünfte Kind in Österreich wächst in Armut auf. Die Volkshilfe will das ändern und ist zwei Wochen lang durchs Land getourt, um Bewusstsein zu schaffen und Lösungen vorzuschlagen - insbesondere eine, nämlich die Kindergrundsicherung. Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, hat im Gespräch mit krone.tv-Journalistin Damita Pressl Bilanz gezogen.
„Wir wollten Bewusstsein schaffen, dass das ein lösbares Problem ist“, sagt Fenninger. So ist er zwei Wochen durch alle Bundesländer gereist, hat Infomaterial verteilt, Vorlesungen an Hochschulen gehalten, Schulen und Jugendzentren, aber auch betroffene Familien besucht. Die Eltern, erzählt Fenninger, hätten kaum Teil am öffentlichen Leben und lebten oft sehr isoliert und zurückgezogen. Cafés und Restaurants seien nicht leistbar, es gebe maximal ein oder zwei Bezugspersonen, die nur in privaten Wohnungen getroffen werden. „Die Kinder erleben ihre Eltern komplett isoliert“ - und lernen damit auch, dass das normal ist. „Diese Kinder haben sich ihre Eltern nicht ausgesucht“, so Fenninger. „Sie wissen Bescheid über die Armutslage. Sie wissen, dass die Wohnung nicht gesichert ist oder dass am Ende des Monats zu wenig Essen da ist. Sie haben viel weniger Möglichkeiten, ihre sozialen Kompetenzen zu entwickeln. Sie sind hochgradig belastet und wünschen sich eigentlich nur, sorgenfrei zu leben.“
Wie wir das ändern? Für Fenninger eine klare Sache: Die Kindergrundsicherung sei die „einzig valide Maßnahme, um die Kinderarmut zu beenden“, zieht er Bilanz aus jahrelanger Sozialarbeit und Forschung. Weiterhin würde, wie in der Familienbeihilfe, jedes Kind einen Grundbetrag bekommen, zusätzlich aber gäbe es einen einkommensabhängigen Betrag für jene Kinder, die arm sind. Aber wie sicherstellen, dass dies nicht ausgenutzt würde? Fenninger weiß sowohl aus der Forschung als auch aus der Praxis: „Armutsbetroffene Eltern stecken das Geld zuerst ins Kind. Ich habe noch nie eine armutsbetroffene Familie betreut, wo nicht das Kind etwa den besten Schlafplatz hat. Es wird immer bei den Eltern gespart und ins Kind investiert.“ In den wenigen Missbrauchsfällen, die es bei Sozialleistungen immer gebe, müssten Kindergarten oder Schule tätig werden, stellt sich Fenninger vor.
„Absehbare Mehrheit im Parlament“
Aber wie realistisch ist das? „Wir haben wirklich Chancen, in absehbarer Zeit eine Mehrheit im Parlament aufzubauen“, meint Fenninger. „Wir könnten die erste Republik werden, die Kinderarmut abschafft.“ Das würde in weiterer Folge Ersparnisse im Gesundheitssystem und bei Sozialleistungen bedeuten: „Es würde sich auch rein ökonomisch rechnen, und wir würden nicht die Arbeitslosen von morgen produzieren.“ Kostenpunkt für die Republik: 600 Millionen Euro. Im Vergleich zu anderen Ausgaben also machbar. Wen die Idee überzeugt, der kann jetzt eine entsprechende Petition unterzeichnen.
Und würde es funktionieren? „Wir beforschen seit zwei Jahren Kinder“, erzählt Fenninger. Diesen wurde aus Spendenmitteln eine Grundsicherung zur Verfügung gestellt. „Wir haben uns angesehen, wie es ihnen in der Armut gegangen ist und wie zwei Jahre danach. Die Ergebnisse sind unglaublich beeindruckend. Die Kinder sagen uns: ‚Wir gehen wieder raus. Wir als Familie lachen wieder. Ich darf ins Freibad. Ich hab einen klareren Kopf.‘ Sie sind entlastet, weil sie nicht mehr Angst haben müssen, dass die Existenz nicht gesichert ist. Sie schreiben bessere Noten und diagnostizierte Krankheitssymptome reduzieren sich.“
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