Murtalbahn-Unglück

„Alle standen unter Schock, wollten nur noch raus“

Salzburg
10.07.2021 06:01

„Es war ein Wahnsinn. Ich bin noch geschockt“, erzählt Schüler Jarik (16) der „Krone“. Er ist einer von jenen 53 Schülern, die Freitagfrüh mit der Murtalbahn in die Schule nach Tamsweg (Sbg.) wollten - für alle war es der Zeugnis-Tag! Doch der Zug entgleiste. Ein Waggon stürzte in die Mur. 17 Schüler verletzt, einer schwer.

Es hätte ein freudiger Tag werden sollen: Der letzte Schultag vor den Sommerferien - Zeugnisverteilung. Doch für 53 (vorwiegend steirische) Schüler zwischen acht und 16 Jahren wurde der Tag zum Albtraum.

Um Punkt 7.05 Uhr entgleiste eine Zuggarnitur der Murtalbahn im Ramingsteiner Ortsteil Kendlbruck (Sbg.), kaum 100 Meter von der steirischen Landesgrenze entfernt. Der Stock eines entwurzelten Baumes ragte in die Gleise der Schmalspurbahn - der Lokführer (53) kam aus einer Kurve und sah das Hindernis zu spät. Er hatte noch die Bremsen betätigt. Aber nicht mehr rechtzeitig.

(Bild: Kevin Geißler)
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Wir sind in der Früh mit dem Zug nach Tamsweg in die Schule gefahren, um das Zeugnis zu holen. Ich saß im ersten Waggon. Plötzlich rumpelte es, und unser Waggon stürzte den Hang hinab. Und wir landeten im Wasser. Für mich lief alles wie in Zeitlupe ab, aber zum Glück konnten wir alle geborgen werden.

Schüler Jarik Krainer

„Im Zug ist alles herumgeflogen“
Durch den Aufprall sprang die Murtalbahn mit ihren drei Waggons aus den Gleisen, der erste Waggon stürzte danach den Bahndamm hinab in den Fluss. „Im Zug ist alles herumgeflogen, die ganzen Schulsachen. Danach war alles unter Wasser. Wir standen alle unter Schock und wollten so schnell wie möglich raus“, schildert Schüler Jarik Krainer die bangen Momente. Die Kids wollten sogar die Scheibe einschlagen, was aber nicht klappte. Letztlich konnten alle mit der Hilfe des Schaffners bei einem Ausgang hinausklettern.

Die Nachricht des Unglücks erreichte auch die bereits wartenden Mitschüler, wie Mario aus der 2. Klasse des Gymnasiums Tamsweg. Er erzählt: „Wir haben ein Bild von dem Zug zugeschickt bekommen. Wir waren alle fassungslos.“ Elf Mitschüler hätten mit der Murtalbahn zum Zeugnistag kommen sollen, schilderte Mario. „Wir wussten nicht, was passiert ist. Bis eine Schulkollegin, die auch im Zug war, ein Foto von allen machte und es uns schickte. Da waren wir erleichtert.“

Gleise nach Sturm nicht geprüft
Die Feuerwehr aus Predlitz (Steiermark) erreichte zuerst den Unglücksort und half sofort bei der Bergung. Die Rettung brachte von 17 verletzten Schülern, neun in die Krankenhäuser nach Tamsweg und Stolzalpe. Ein Bub musste mit Verdacht auf Wirbelsäulenverletzung ins Schwarzacher Spital geflogen werden - ein anderer aufgrund einer Oberarmfraktur noch am selben Tag operiert werden. Bei den restlichen Kindern blieb es bei Prellungen und Abschürfungen. „Wahnsinn, die Kinder haben wirklich Glück gehabt“, war der Tenor beim „Krone“-Lokalaugenschein.

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Aufgrund eines - nur kleinen und punktuellen - Gewitters wurde auf eine Erkundung der Murtal-Bahnstrecke verzichtet.

Sprecher der Steirischen Landesbahnen

Der Bahnbetrieb wurde vorläufig eingestellt. Das Landeskriminalamt ermittelt. Fest steht: Ein Sturm hatte in der Nacht den Baum entwurzelt. Die Gleise wurden aber nicht geprüft, da es sich laut Auskunft nur um ein kleines, punktuelles Gewitter gehandelt habe.

(Bild: Krone KREATIV)

„Die Kinder hatten alle Schutzengel“ 
Günther Pagitsch, der Bürgermeister von Ramingstein und selbst Feuerwehrmann, war beim Einsatz vor Ort. Er sprach mit der „Krone“.

„Krone“: Herr Bürgermeister, Sie waren als Feuerwehrmann beim Einsatz dabei und haben geholfen, die Kinder zu retten. Können Sie schildern, was passiert ist?
Günther Pagitsch: Über Nacht hat es massive Sturmschäden gegeben, deshalb war ich bereits unterwegs, als wir den Alarm bekommen haben. Zug-Entgleisung, hieß es da. Im ersten Moment war ich im Schock. Das hat sich mit den ankommenden Bildern noch vertieft. Ich wusste sofort, dass Kinder betroffen sind, da viele mit dem Zug in die Schule fahren.

Günther Pagitsch, Bürgermeister von Ramingstein im Lungau (Bild: ROLAND HOLITZKY)
Günther Pagitsch, Bürgermeister von Ramingstein im Lungau

Wie war die Lage vor Ort?
Viele Kinder haben sich bereits gegenseitig geholfen, aus dem Waggon zu klettern. Das war sehr schön. Einige Eltern waren dann auch sofort vor Ort. Da wurde es auch schnell sehr emotional. Die Schüler hatten wirklich alle einen Schutzengel. Was die schon das vergangene Schuljahr mit Corona erleben mussten, und dann passiert so ein Abschluss.

Wie konnte der Zug an dieser Stelle entgleisen?
Der Wurzelstock eines entwurzelten Baumes hing in die Gleise hinein, das hat sozusagen den Zug ausgehebelt, so dass ein Waggon in der Mur landete. Es war ein punktuelles Gewitter, also höhere Gewalt.

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