Die Prognosen sind sich einig: Der Mangel an Pflegekräften wird sich weiter verschärfen. Die Lösungsansätze für das Problem werden kreativer. In Graz überlegt man laut, Personal aus Kolumbien einzufliegen.
Die Bevölkerung altert. Und wer alt ist, braucht oft Pflege - egal ob daheim (siehe Artikel unten) oder in Heimen und Krankenhäusern. Das Problem nur: Die Pflegekräfte fehlen. Eine Bedarfsprognose des zuständigen Ministeriums geht von fast 76.000 zusätzlichen Kräften aus, die bis 2030 benötigt werden.
Von dem Personalmangel sind auch die Geriatrischen Gesundheitszentren (GGZ) in Graz betroffen. „In ein bis zwei Jahren werden wir es nicht mehr schaffen, alle Dienstposten zu besetzen“, stellt Pflegedienstleiterin Waltraud Haas-Wippel eine düstere Prognose.
Eine mögliche Lösung scheint ein Unternehmer aus dem obersteirischen Trofaiach gefunden zu haben. Josef Missethon hat mit seiner Firma für Talententwicklung bereits in Spanien um Fachkräfte geworben. Mit dem Projekt „Talents for Europe“ will er nun Pfleger in Kolumbien rekrutieren.
Zuerst Deutsch lernen, dann die Einreise
Wie das abläuft? Die ausgewählten Uni-Absolventen sollen zuerst in ihrem Heimatland Deutsch auf B2-Niveau lernen und ein Coaching zur österreichischen Kultur bekommen. Bei den Einreise-Formalitäten bekommen sie ebenso Hilfestellung. Dann arbeiten sie beim Partnerunternehmen in Österreich.
Und wieso gerade Kolumbien? Die Pflege-Ausbildung sei dort akademisiert und mit dem Niveau in Europa vergleichbar. „50 Prozent der Universitäts-Absolventen im Pflegebereich sind nach dem Studium arbeitslos“, heißt es in dem Papier zum Projekt, das der „Krone“ vorliegt. Auch der finanzielle Anreiz kommt dazu: Der Durchschnittslohn in Kolumbien beträgt nur 550 Euro im Monat.
15 neue Pflegekräfte für Graz
Bei den GGZ diskutiert man derzeit den Vorschlag, 15 südamerikanische Arbeitskräfte nach Graz zu holen. Kostenpunkt: 157.500 Euro. „Wir prüfen diese Option derzeit, aber es gibt juristisch noch einige offene Fragen“, sagt Haas-Wippel.
Ein Tropfen auf dem heißen Stein
Kritik an dem Vorhaben kommt schon jetzt von Seiten der Opposition im Grazer Gemeinderat: „Man hört immer wieder von zugewanderten Menschen, die gut integriert sind und gerne bereit waren, Pflegeberufe zu ergreifen. Ihnen hat man Steine in den Weg gelegt. Einige, die bereits Ausbildung und Sprachkenntnisse erworben hatten, hat man einfach abgeschoben“, sagt Elke Heinrichs von der KPÖ.
Egal, wie die Debatte in den GGZ schlussendlich ausgehen wird: 15 Pflegekräfte werden bei dem prognostizierten Bedarf wohl ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. „Wir haben zu wenig diplomiertes Personal, zu wenige Pflegeassistenten und zu wenige FH-Studienplätze“, kritisiert Haas-Wippel. 216 Plätze für das Studium zum Krankenpfleger an der FH Joanneum in Graz gibt es derzeit - aber über 400 Bewerber. „Jeder, der nicht aufgenommen wird, geht für immer für die Pflege verloren. Das können wir uns nicht leisten.“
Neue Ausbildungen in Mureck und Kapfenberg
Mit regionalen Alternativen versucht das Land entgegenzusteuern: Eine Ausbildung zur Pflegefachassistenz in Mureck startet 2022. Erst im Juni wurde ein neuer FH-Standort für Gesundheitsberufe in Kapfenberg beschlossen.
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