Entertainer in Führung
Machtwechsel in Bulgarien steht kurz bevor
Das enge Kopf-an-Kopf-Rennen rund um die neuerlichen Wahlen in Bulgarien scheint einen Sieger gefunden zu haben. Laut Zwischenergebnis von Montag liegt die populistische ITN („Es gibt ein Volk“) mit dem Entertainer Slawi Trifonow in Führung. Der Vorsprung ist mit 23,91 zu 23,69 Prozent der Stimmen im Vergleich zu Amtsinhaber Boiko Borissow aber denkbar knapp ausgefallen.
Die stärkste politische Kraft im Parlament soll laut Verfassung als erste einen Regierungsauftrag erhalten. Noch vor Bekanntgabe des amtlichen Zwischenergebnisses stellte Trifonow bereits am Montagvormittag sein Kabinett vor und verkündete, dass seine Formation im neuen Parlament keine Regierungskoalition anstreben wird, sondern eine eigene, großteils aus neuen Gesichtern bestehende Regierung aufstellen will.
Unklar ist, ob Trifonow sein Kabinett aus Experten im Alleingang aufgestellt hat oder nach Beratungen mit den anderen Protestparteien. Ministerpräsident soll Nikolaj Wassilew werden, er war Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister in zwei bulgarischen Regierungen unter der Führung und mit der Beteiligung des ehemaligen Exil-Monarchen Simeon von Sachsen, Coburg und Gotha. Außenminister soll Radi Najdenow werden, ein Karrierediplomat, Ex-Außenminister in der Interimsregierung 2017 und früherer Botschafter Bulgariens in Wien und Berlin, heute Botschafter des Landes in der Schweiz.
Junge, westlich orientierte Experten als Minister
Darüber hinaus sind die von Trifonow in seinem Pay-TV-Sender „7/8“ verkündeten Nominierungen für die Ministerposten meist junge, in den USA und Westeuropa ausgebildete Experten, die bisher keine politische Erfahrung haben. Die Juristin Lilia Ivanova, die unter anderem in Linz und Bonn studierte, soll laut bulgarischer Nachrichtenagentur BTA Arbeits- und Sozialministerin werden. Zum ersten Mal soll Bulgarien auch einen Minister für Fragen der Roma-Minderheiten bekommen.
Endergebnis erst am Sonntag
Die Zentrale Wahlkommission (ZIK) hat bisher 98,92 Prozent der Stimmen im Inland ausgezählt, viel weniger aber aus dem Ausland. Wahlberechtigte Bulgaren haben in 68 Ländern, darunter auch Österreich, abgestimmt. Die populistische ITN gehört zu den Favoriten der im Ausland lebenden Wählergruppe. Nach Schließung der Wahllokale im Inland gab es nur Prognosen von Meinungsforschern. Das Endergebnis soll am 18. Juli vorliegen.
Die oppositionellen Sozialisten (BSP) kamen dem Zwischenergebnis zufolge mit 13,51 Prozent auf Platz drei. Es galt als sicher, dass ins Parlament in Sofia drei weitere Protestkräfte einziehen: die konservativ-liberal-grüne Koalition Demokratisches Bulgarien/DB (12,56 Prozent) und das Protestbündnis „Richte dich auf! Mafiosi raus!“ (5,03 Prozent). Die wirtschaftsliberale DPS lag bei 10,66 Prozent. Insgesamt sechs Parteien konnten somit die Vier-Prozent-Hürde überwinden - nicht aber die Nationalisten.
Borissow wird wohl abgelöst
Bei dieser Kräfteverteilung hat das Anti-Borissow-Lager die absolute Parlamentsmehrheit verfehlt. Eine Zusammenarbeit mit Borissows GERB schließen seine Gegner aus, da sie Borissows früherer Koalitionsregierung Korruptionspraktiken vorwerfen. Borissow dürfte keine Partner mehr finden, um wieder zu regieren.
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