Nach Erfolgen in der E-Mobilität zündet Volkswagen-Chef Herbert Diess die zweite Stufe und geht den Umbau zu einem softwaregetriebenen Technologiekonzern an. „Auf der Basis von Software ist der nächste, weitaus radikalere Wandel der Übergang zu deutlich sichereren, intelligenteren und schließlich autonomen Fahrzeugen“, beschrieb er am Dienstag die nächste Etappe der Konzernstrategie bis 2030. In der neuen Mobilitätswelt wolle der Konzern eine führende Rolle spielen.
Mit Blick auf die schärferen Klimaziele der EU will Volkswagen den CO2-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus je Auto bis zum Ende des Jahrzehnts um ein Drittel senken. Die wachsende Zuversicht von VW, den tiefgreifenden Wandel zu meistern, kommt in der Erhöhung des Margenziels zum Ausdruck: Die operative Rendite soll 2025 bei 8 bis 9 (bisher 7 bis 8) Prozent liegen. Diess‘ Vertrag wurde gerade erst bis dahin verlängert.
Geschäft mit Verbrennern bleibt aber vorerst Ertragssäule
Dreh- und Angelpunkt der Strategie ist die Software, durch die das Autofahren einerseits sicherer werden soll, mit der sich Volkswagen aber vor allem durch den Verkauf von Dienstleistungen und Software-Updates neue Einnahmequellen erschließen will. Die Margen von E-Fahrzeugen sollen sich in zwei bis drei Jahren denen der Verbrennerautos annähern, mit denen Volkswagen vorerst aber weiter das meiste Geld verdienen wird. Bis 2030 soll die Hälfte der Neuwagenflotte aus Elektroautos bestehen. Ein Ziel, das Diess selbst als Herausforderung bezeichnete. Zehn Jahre später sollen nahezu alle neuen Fahrzeuge der Hauptmarken des Konzerns emissionsfrei fahren. Spätestens 2050 will Volkswagen vollständig klimaneutral sein.
Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte, das Geschäftsmodell basiere nach wie vor auf dem Verkauf von immer mehr und größeren Autos, die noch viel zu lang mit Abgasen das Klima anheizten. „Darüber kann ein vermeintlich grünes Image nicht hinwegtäuschen.“
„Wir erfassen riesige Datenmengen“
Währenddessen schreitet die Digitalisierung voran: „Bis 2030 sollen 60 Prozent unseres Absatzes und bis zu 40 Millionen Autos auf unseren eigenen Software-Stacks basieren“, kündigte Diess an. „Damit erfassen wir riesige Datenmengen, die unsere Produkte kontinuierlich verbessern werden.“ Dies ist die Grundlage für das neue Geschäft mit Daten, das in Zukunft eine größere Rolle spielen soll.
Die Ankündigungen lösten positive Kommentare von Börsianern aus: „Mit der heute vorgestellten und bereits in die Wege geleiteten Strategie ‘New Auto‘ für E-Mobilität und Digitalisierung hat VW das glaubwürdigste Konzept zur Neuausrichtung traditioneller Automobilhersteller in Angriff genommen“, schrieb Marc Decker, Leiter des Fondsmanagements von Merck Finck. „Wir halten die Kombination aus möglichen Skaleneffekten und Finanzkraft für konkurrenzlos.“ Es sei nur eine Frage der Zeit, bis VW zum Weltmarktführer für Elektromobilität aufsteige. Mit Blick auf die Bewertung von Tesla habe die VW-Aktie Potenzial für einen weiteren deutlichen Kursanstieg. Am Dienstag verlor die an der Börse notierte Vorzugsaktie jedoch etwas an Wert.
Dabei laufen die Investitionen in die E-Mobilität und eine eigene Batteriezellenfertigung weiter, die sich der Konzern zunehmend auch mit Partnern teilt: Für die in Salzgitter geplante Batteriezellfabrik holen sich die Niedersachsen den chinesischen Partner Gotion High-Tech an Bord. Dort soll 2025 die Produktion der Einheitszelle für das Volumensegment starten, von der sich Europas größter Autobauer deutliche Kostensenkungen verspricht.
Hohe Förderungen in Aussicht
Der Betriebsrat und das Land Niedersachsen als zweitgrößter VW-Aktionär sehen gute Chancen, dass in dem Bundesland eine zweite Batteriezellfabrik entsteht. Ministerpräsident Stephan Weil brachte erneut Emden dafür ins Gespräch, wo Volkswagen eine Pkw-Fabrik hat. Der Standort biete wegen der Windenergie ideale Voraussetzungen, hob Weil hervor. „Elektromobilität braucht grünen Strom - sonst ergibt der ganze Umstieg keinen Sinn.“ Damit dies gelinge, sei allerdings ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes nötig. „Es kann nicht sein, dass Unternehmen gezwungen werden, auf andere Länder auszuweichen, weil es anderswo höhere Förderungen gibt“, erklärte Weil.
Als Standort für eine weitere große Batteriezellfabrik kommt Spanien infrage, wie VW nun bestätigte. Dort prüfe der Konzern zusammen mit einem strategischen Partner die Option für den Aufbau einer Fabrik mit einer Jahreskapazität von ebenfalls 40 Gigawattstunden. In Schweden plant der Konzern zusammen mit den Batteriezellspezialisten Northvolt bereits die Produktion von Premiumzellen. Insgesamt wollen die Wolfsburger bis 2030 in Europa sechs solcher Giga-Fabriken hochziehen, um den steigenden Bedarf an Akkus für die wachsende Flotte an E-Autos zu decken.
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