Die Delta-Variante des Coronavirus breitet sich aus, in Großbritannien und Israel sehen wir bereits Wellen, und das, was jetzt in diesen Ländern geschieht, ist wohl nur ein Vorgeschmack. So mancher ist skeptisch, ob wir die Pandemie in Österreich nicht ein wenig zu locker sehen. Steuern wir gerade ins gleiche Debakel wie im Vorjahr? Umweltmediziner Hans-Peter Hutter und Virologe Norbert Nowotny klären diese Woche im Gespräch mit krone.tv-Journalistin Damita Pressl auf, wovon der weitere Verlauf der Pandemie abhängt.
„Die Alpha-Variante hat sich brav an die Saisonalität gehalten. Atemwegsinfekte haben nun mal ihre Hochsaison im Herbst und Winter. Die Delta-Variante hat sich in Indien vielleicht eher Richtung Wärme adaptiert. Keiner hat geahnt, was da jetzt auf uns zukommt - wir haben alle gesagt, wir werden einen schönen Sommer haben“, kommentiert Nowotny die steigenden Zahlen. Dennoch haben wir einen „Gamechanger“.
Keiner hat geahnt, was da jetzt auf uns zukommt - wir haben alle gesagt, wir werden einen schönen Sommer haben.
Virologe Nowotny
Hutter dazu: „Natürlich hat Impfen einen enormen Impact. Wichtig ist, dass einmal Geimpfte bitte zum zweiten Stich gehen sollen. Alle Daten, die wir haben, zeigen, dass die zweite Impfung wichtig ist, um das Virus wirksam zu bekämpfen. Das Impfen ist aber nur eine Säule, wie wir mit der neuen Variante fertigwerden. Die Impfung ist nicht alles, aber ein großes, mächtiges Instrument. Es gibt aber andere Werkzeuge, die wir immer noch brauchen - etwa die Nachverfolgung.“
Impfung am besten auf vor Urlaubsantritt legen
In der Urlaubssaison ebbt der Impffortschritt tendenziell ein wenig ab, viele sind außer Landes, doch Nowotny warnt: „Bitte auf den Bundesländer-Websites den Termin verschieben - nach Möglichkeit vor den Urlaubsantritt! Einige wenige Tage vorher, dann ist man im Urlaub gut teilgeschützt.“
Und nach dem Urlaub? „Jeder vierte Delta-Fall in Österreich ist ein Urlaubsrückkehrer. Ich wäre sehr dafür, dass man, wenn man aus dem Urlaub zurückkehrt, einen PCR-Test macht“, sagt Nowotny. Hutter ergänzt: „Das ist eine der wichtigsten Maßnahmen, die wir jetzt zu treffen haben - mindestens so wichtig wie der zweite Stich.“ Man müsse Reiserückkehrende deutlich besser kontrollieren. „Wir verbauen uns da die Zukunft!“
Es braucht jetzt Mini-Maßnahmen, damit wir nicht mehr diskutieren, ob wir alles zusperren.
Umweltmediziner Hutter
Experten für Verschärfungen bei den drei Gs
Doch das alleine werde nicht reichen, meinen die Experten. Hutter: „Es braucht jetzt Mini-Maßnahmen, damit wir nicht mehr diskutieren, ob wir alles zusperren.“ Nowotny schlägt etwa vor: „Ich persönlich bin für eine Verschärfung der drei Gs“: Als geimpft soll gelten, wer den Zweitstich bereits 14 Tage oder länger hat, „so wie das viele Länder auf der Welt haben“. Als genesen soll gelten, wer einen gewissen Antikörpertiter hat, wobei der Staat die Tests zur Verfügung stellt. Als getestet soll nur gelten, wer einen PCR- oder professionell abgenommenen Antigentest vorweisen kann.
In gewissen Bereichen, etwa in der Nachtgastronomie, plädiert Hutter überhaupt für „1-G“ - nur wer PCR-getestet ist, soll hineindürfen: „Gerade in Settings, wo viele Menschen auf einem Haufen im Innenraum aktiv sind, ist das ein Weg, offen zu lassen.“
„Nicht mehr weit entfernt“, dass Covid eine Krankheit wie jede andere ist
„Das Virus ist ein Gfrast“, fasst Nowotny zusammen, daher brauche es jetzt flankierende Maßnahmen und einen guten Impffortschritt. „Herdenimmunität werden wir nicht wirklich erreichen“, sagt Hutter, denn etwa zwei Millionen Menschen, etwa jene unter zwölf oder mit Immunerkrankungen, können wir gar nicht impfen. Daher brauche es nach wie vor gewisse Regeln. Am Ende jedoch werde Covid „eine Krankheit wie jede andere sein. Das ist nicht mehr so weit entfernt.“
Nowotny stellt in Aussicht: Jeden Herbst wird es eine Auffrischungsimpfung geben, vielleicht in Kombination mit der Influenza-Impfung. So schlimm wie im vergangenen Winter wird es aber dank der Impfung nicht mehr, da sind sich die beiden Experten einig.
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