Getrübte Feiern

Seit drei Jahren unabhängig: Kosovo voller Probleme

Ausland
17.02.2011 07:18
Premier Hashim Thaci (Bild re.) mit Organhandel-Vorwürfen konfrontiert, eine unter größten Schwierigkeiten zusammengewürfelte neue Regierung, darbende Wirtschaft, 40 Prozent Arbeitslosigkeit, nach wie vor nicht in die UNO aufgenommen und von der EU in Sachen Handel und Visa-Liberalisierung "links liegengelassen" (Bild li.): Zum dritten Unabhängigkeitstag sieht es im Kosovo nicht gerade rosig aus. Von der einstigen Aufbruchsstimmung ist im jüngsten Land am Balkan nicht viel übrig geblieben.

Regierungschef Thaci ist es zwar rechtzeitig vor dem dritten Unabhängigkeitstag gelungen, sein zweites Kabinett zu fixieren. Dies verlief jedoch alles andere als problemlos: Der 42-jährige Chef der führenden kosovarischen Demokratischen Partei (PDK) musste das Präsidentenamt seinem kleinen Bündnispartner, der Allianz Neues Kosovo (AKR), überlassen. Damit bekommt der Kosovo mit AKR-Chef Behgjet Pacolli einen politischen Neuling als Staatsoberhaupt. Thaci, einstiger politischer Führer der "Befreiungsarmee des Kosovo" (UCK), konnte seine Parteifreunde erst in stundenlangen Gesprächen davon überzeugen, dass es keine Alternative zu dieser Entscheidung gebe.

Präsident im Visier der Kritiker
Thaci war zuletzt in seiner eigenen Partei heftigen Forderungen ausgesetzt gewesen, das Präsidentenamt nicht der AKR zu überlassen. Der 59-jährige Pacolli hatte sich vor allem als Besitzer des Schweizer Mabetex-Baukonzerns einen Namen gemacht, der vor einem Jahrzehnt im Mittelpunkt eines gewaltigen Korruptionsskandals in Russland gestanden war. Nach westlichen Medienberichten soll es auch geschäftlich enge Verbindungen zwischen ihm und Thaci geben. Doch Thaci wird ohnehin keine besonders stabile Regierung führen: Anders als bisher befindet sich die zweitgrößte Partei des Landes, die Demokratische Liga (LDK), in Opposition.

Druck seitens des Westens
Doch das ist nicht das einzige Problem für die neue Regierung. Westliche Diplomaten hatten Thaci wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass man sich eine Regierung der "sauberen Hände" wünsche. Im Klartext: PDK-Spitzenfunktionäre, gegen die Korruptionsermittlungen laufen, gehörten nicht in die Regierung. Die wirtschaftliche Entwicklung, Schaffung neuer Arbeitsplätze, Rechtsstaatlichkeit, Festigung der unabhängigen Justiz sollen die Hauptziele der neuen Regierung werden, sagte US-Spitzendiplomat Thomas Countryman kürzlich in der Hauptstadt Pristina. Er drängte unzweideutig auf politische Reformen im Land.

Wahlversprechen nicht erfüllt
Drei Jahre nach der Ausrufung der Unabhängigkeit sind wirtschaftliche Erfolge weitgehend ausgeblieben. Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 40 Prozent, und Thaci musste von seinem Wahlkampfversprechen, die Löhne deutlich zu erhöhen, Abstand nehmen. Vorerst wurden die Erhöhungen bis zum Budgetbeschluss verschoben, doch schon im Wahlkampf war der Premier vom Internationalen Währungsfonds (IWF) darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Versprechen nicht eingelöst werden können. 50-prozentige Lohnsteigerungen seien einfach nicht möglich - höchstens acht Prozent, ließ ein IWF-Vertreter in Pristina wissen.

Serbischer Nordkosovo blockt
Ein frommer Wunsch ist auch der voriges Jahr beschlosse Plan zur Wiedereingliederung des mehrheitlich serbischen Nordkosovo geblieben. Die Serben in Mitrovica und Umgebung lehnen weiterhin entschlossen jeden Kontakt zu Pristina ab. Die Einbindung mehrerer kleiner Serben-Parteien in die neue Thaci-Regierung wird daran nichts ändern - der Ministerpräsident konnte nämlich nur Vertreter der südlich von Mitrovica lebenden Serben für sich gewinnen. Und das vor dem Beginn der Gespräche mit Belgrad, in denen viele offene Fragen von lebenswichtiger Bedeutung gelöst werden sollen.

Organhandel-Vorwürfe gegen Thaci
Seit Mitte Dezember sieht sich der neue und alte Regierungschef auch von seiner Kriegsvergangenheit eingeholt. Über ihm liegt der Schatten von Organhandel-Vorwürfen. In einem Bericht des Europarates wurde dafür eine kriminelle Gruppe beschuldigt, an deren Spitze Thaci gestanden haben soll. Die internationalen Ermittlungen stehen erst bevor.

Der Autor des Berichtes, der Schweizer Abgeordnete Dick Marty, plädiert gemeinsam mit mehreren Menschenrechtsorganisationen dafür, die Ermittlungen an internationale Experten außerhalb des Kosovo zu übergeben - nur so wäre ihrer Ansicht nach die Sicherheit von Zeugen zu garantieren. Nach dem Kriegsende wurden im Kosovo mehr als 400 Personen, mehrheitlich Serben, aber auch Albaner, entführt. Ihr Schicksal ist bis jetzt unbekannt.

Aufnahme in die UNO nicht in Sicht
Eine baldige Aufnahme des Staates in die Vereinten Nationen ist ebenfalls nicht in Sicht. Bisher wurde Kosovo lediglich von 75 der 192 UNO-Staaten anerkannt. Der Anerkennungsprozess hatte sich auch nach der Veröffentlichung des Rechtsgutachtens des Internationalen Gerichtshofes (IGH) im vergangenen Juli nicht wesentlich beschleunigt, wonach die Ausrufung der Unabhängigkeit nicht gegen das Völkerrecht verstoßen habe. Der IGH enthielt sich nämlich einer Stellungnahme zur Frage, ob die Sezession des Kosovo an sich völkerrechtskonform gewesen sei.

Von der EU "links liegen gelassen"
Indes macht sich in Pristina auch Enttäuschung über die EU bemerkbar. So hat die Regierung nach wie vor keinen Plan für den Visa-Liberalisierungsprozess erhalten. Und kurz vor dem Unabhängigkeitstag wurde nun auch noch bekannt, dass auch die von der Europäischen Union gewährten Handelserleichterungen seit Jahresbeginn nicht mehr in Kraft sind. In Regierungskreisen werden hinter der Entscheidung politische Gründe vermutet, viele Kosovaren würden sich nun von der EU "links liegen gelassen" fühlen, so ein Vertreter der PDK.

Nichtstaatliche Organisationen in Pristina haben bereits gegen die Entscheidung der Union protestiert. Das NGO-Netz "Koalition für Demokratie" hält den Beschluss des Europaparlaments für ungerecht. Sejdi Demiri, dem Leiter der Koalition, kritisiert, dass der Kosovo, der noch nicht vom Visa-Liberalisierungsprozess erfasst ist, auch mit Hindernissen im Handelsbereich konfrontiert wird.

Kritik auch an EULEX-Mission
"Wie ist es möglich, dass ganz Europa im Kosovo anwesend ist, während wir keinen einzigen Schritt nach Europa unternehmen können", meinte Demiri in Anspielung auf die Präsenz der EULEX- Rechtsstaatlichkeitsmission im Kosovo. In deren Rahmen werden bis zu 2.000 Polizisten, Richter, Gefängnisaufseher und Zollbeamte in den Kosovo entsandt. Sie sollen dem Land beim Aufbau von Polizei, Justiz und Verwaltung helfen und haben weitreichende, von der Administration des Kosovo unabhängige Befugnisse.

Dementsprechend stößt die Mission bei großen Teilen der Bevölkerung auch auf Skepsis. Militärisch abgesichert wird EULEX Kosovo von der KFOR-Truppe der NATO, die im Auftrag der UNO auch weiterhin Ausschreitungen in dem multi-ethnischen Gebiet verhindern soll.

Dinamo Zagreb soll Jubiläum retten
Ganz grau wird es zu drittem Unabhängigkeitstag in Pristina doch nicht sein. Zumindest die Fußballfans ihre Freude haben: Der kroatische Spitzenklub FC Dinamo Zagreb wird zu einem Gastspiel erwartet.

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