Klimaschutz-Klagen gegen Energieunternehmen und gegen Staaten, die beim Kampf gegen den Klimawandel säumig sind, gibt es schon zuhauf. Nun rüsten sich auch europäische Banken für eine mögliche Klageflut. Die Finanzunternehmen können sich angreifbar machen, weil sie klimaschädliche Geschäfte über Kredite oder Kapitalmarkt-Platzierungen finanzieren. Außerdem wecken sie bei sogenannten „grünen Anlagen“, die ökologische Projekte unterstützen sollen, mitunter zu hohe Erwartungen. „Wir machen zu viele Versprechen, die wir nicht halten können“, mahnt ein Spitzenmanager aus der Branche. Anwälte rechnen zwar nicht unmittelbar mit einer Klagewelle - aber in zwei, drei Jahren könnte sie kommen.
Einer Erhebung der London School of Economics zufolge wurden zwischen 1986 und Mai 2021 weltweit 1841 Klimaklagen eingereicht, 191 davon alleine in den 13 Monaten bis Ende Mai. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle sitzen Regierungen auf der Anklagebank, doch immer mehr Fälle richten sich auch gegen Firmen. Ende Mai verdonnerte ein niederländisches Gericht den Ölkonzern Royal Dutch Shell dazu, seinen CO2-Ausstoß bis 2030 nahezu zu halbieren. Damit verpflichtete ein Gericht erstmals ein Privatunternehmen dazu, Treibhausgas-Emissionen zu kürzen.
Der Entscheid, der ein Umdenken der Gerichte widerspiegelt, könnte die Schleusen für ähnliche Verfahren öffnen. Der einflussreiche Aktionärsberater ISS sieht etwa die Urteile gegen die Tabak- und Asbest-Branche als Beispiele dafür, was auf Unternehmen in Sachen Klima-Klagen zukommen könnte: Den Opfern wurden Hunderte von Milliarden Dollar an Entschädigungen zugebilligt. Die Klimakrise sei mit Blick auf mögliche Gesundheits- und Wohlstandsschäden noch viel größer.
Kredite für Klimasünder könnten zum Bumerang werden
Noch sind vor allem Energie- und Rohstoffkonzerne Ziel der Klimaschutz-Klagen. Bei Finanzfirmen scheint der CO2-Fußabdruck auf den ersten Blick dagegen klein. So kommen einer Studie der Berater von Oliver Wyman zufolge 95 Prozent der Kredite an europäische Firmen von Banken, sie sich an die Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens halten wollen. Dazu gehören auch Deutsche Bank, Commerzbank, UBS und Credit Suisse. Zum Problem könnten aber die Firmen werden, die die Banken mit Krediten und Kapitalmaßnahmen unterstützen: Nur acht Prozent der kreditnehmenden europäischen Unternehmen bekennen sich zu den Pariser Klimazielen. Entsprechend dürften Klagen von Aktivisten gegen Finanzinstitute zunehmen: „Banken sind damit konfrontiert, weil sie eine Menge der Aktivitäten finanzieren, von denen wir uns abwenden müssen“, erklärt Ellie Mulholland vom Forschungsprojekt CCLI.
Die internationale Kanzlei Simmons & Simmons warnt vor einer Klagewelle für den Finanzsektor, die die Ausmaße des Dieselskandals für die Autobranche erreichen könnte. Volkswagen und andere Hersteller hatten die Abgaswerte durch eine spezielle Software manipuliert, um Autos sauberer erscheinen zu lassen, als sie es tatsächlich waren. Für Strafen und Entschädigungen von Kunden legte allein Volkswagen bislang mehr als 32 Milliarden Euro auf den Tisch. „Es droht so eine Art ,Dieselgate‘ im Bereich grüner Finanzprodukte“, konstatiert Simmons-&-Simmons-Anwalt Daniel Kendziur. Kleinanleger könnten sich getäuscht sehen über die Klimafreundlichkeit einer Anlage und dann versuchen, Schadenersatz geltend zu machen. Es gebe in Deutschland ähnlich viele Kleinanleger wie Diesel-Fahrer. „Das kann eine Riesensache werden.“
Was grün ist, ist bei Investments nicht immer klar. Dem niederländischen Asset Manager NN zufolge ist diese Kennzeichnung nur bei 85 Prozent der Bonds gerechtfertigt. Der Rest werde von Unternehmen emittiert, die die Erlöse zwar für umweltfreundliche Projekte verwendeten, andernorts aber der Umwelt schadeten. Dies könnten Mitbewerber, Finanzbehörden aber oder Verbraucherschutzverbände als irreführende Bewerbung sehen und dagegen klagen, betont Kendziur.
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