Seit 2007 zieht sich die Debatte um das Gasdampfkraftwerk der Klagenfurter Stadtwerke. Mit dem Projekt hat das Land Kärnten die Anrainer gegen sich aufgebracht, die u.a. befürchten, dass sie mit dem Kraftwerk und aufgrund der Beckenlage der Kärntner Landeshauptstadt mehr als die Hälfte des Jahres im Nebel verbringen werden. Von bereits jetzt rund 100 Tagen im Jahr würde sich die Anzahl der Nebeltage auf 180 bis 200 nahezu verdoppeln, zitieren die Gegner aus einem Gutachten. Auch eine höhere CO2-Belastung sowie Smog werden erwartet.
Trotzdem beschloss die Kärntner Landesregierung im September vergangenen Jahres den Umweltverträglichkeitsbescheid. Die Prüfung dauerte viereinhalb Jahre und verschlang fünf Millionen Euro, teilte damals Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) mit. Es war laut Dörfler "das größte UVP-Verfahren der Zweiten Republik in Kärnten". "47 Gutachten plus ein Gesamtgutachten, die Höhe des Gesamtaktes beträgt ca. 2,40 Meter und wiegt rund 140 Kilo", rechnete die Kärntner Landesregierung vor.
Die Gegner, mittlerweile zu Dutzenden als Bürgerinitiativen und Bürgerforen mit eigenen Websites und Facebook-Profilen zusammengeschlossen, zogen freilich in die nächste Instanz, und zwar vor den Bundesumweltsenat. Von dort erhielt das Land Kärnten Ende Jänner eine interessante Zuschrift.
"Abweichung von der örtlichen Bautradition erheblich"
Und zwar stellte der in Wien ansässige Umweltsenat fest, dass bei der Umweltverträglichkeitsprüfung die im Ortsbildpflegegesetz genannte "Ortsbildpflege-Sonderkommission" zu befragen gewesen wäre, die die Landesregierung mit den Anti-Minarett-Abänderungen 2008 ins Gesetz schrieb. "Nach Auffassung des Umweltsenates steht ein Bauvorhaben [...] mit der örtlichen Bautradition dieses Teiles des Klagenfurter Beckens nicht im Einklang. Die örtliche Bautradition umfasst eben beispielsweise keine rund 25 Meter hohe Kühlturmanlage, kein rund 50 Meter hohes Kesselhaus oder keinen 125 Meter hohen Kamin", heißt es wörtlich im Schreiben des Umweltsenats an das Land Kärnten.
Fast schon zynisch erscheint die Feststellung am Ende: "Angesichts der Beschreibung [...] ist das Ausmaß der Abweichung von der örtlichen Bautradition als erheblich zu bewerten."
Alles, was das Amt der Kärntner Landesregierung nun machen hätte müssen, wäre einfach die Expertise der Ortsbildpflege-Kommission nachzureichen. Der Umweltsenat bot in dem Schreiben sogar an, den Akt an die Kommission selbst zu übermitteln, falls im Amt der Kärntner Landesregierung keine Kopien aufliegen würden.
Kommission "konnte noch keine Tätigkeit entfalten"
Die Sache hat nur einen Haken: Die Kommission gibt es nicht. Fast schon kleinlaut wirkt der Sachbearbeiter des Kärntner Amtes in seinem Antwortschreiben, datiert auf den 3. Februar. Abgesehen davon, dass aus Sicht der Landesregierung dem Wunsch des Umweltsenats "nicht beigetreten werden" könne, sei die Kommission keine Behörde sondern nur ein "kollegiales Gutachtergremium".
Außerdem sei die Einholung eines Gutachtens der Sonderkommission "zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus rechtlichen Gründen" nicht möglich. Und zwar weil: "Es wurde der Bestellvorgang hinsichtlich der einzelnen Mitglieder bislang noch nicht abgeschlossen, sodass sich die Ortsbildpflege-Sonderkommission noch nicht konstituieren und daher auch noch keine Tätigkeit entfalten konnte."
Bürgerforum: "Wahnwitzige Argumentation"
Das Bürgerforum Klagenfurt-Ost, das den Schriftverkehr zwischen Umweltsenat und Amt der Kärntner Landesregierung am Freitag in einer Presseaussendung publik machte, lässt angesichts der Vorgänge überraschend wenig Sarkasmus walten. "Weitere Verzögerungen des Projektes sind damit sehr wahrscheinlich", heißt es trocken in der Mitteilung. Dass das Amt das Kraftwerk aber ins Ortsbild passend findet, stößt den Bürgerrechtlern schon saurer auf: "Die Bürgerinitiativen gegen das Kraftwerk können über eine solche wahnwitzige Argumentation nur lachen, würde es hier nicht um ihre Lebensqualität und Gesundheit gehen."
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