Bereits im November erkrankte „Krone“-Kolumnistin Franziska Trost an Corona. Bis heute kämpft sie mit den Folgen. Wie es sich anfühlt, wenn das Leben nur noch auf Sparflamme läuft.
Vor Kurzem wollte ich es ausprobieren: ins Gasthaus gehen - so wie es jetzt eben fast alle wieder machen. Wir saßen im vollen Gastgarten, es war ein lauschiger Abend. Und dennoch musste ich nach kurzer Zeit flüchten. Die Geräuschkulisse und der Trubel raubten mir das bisschen Kraft, das ich in Reserve hatte. Es ist mehr als acht Monate her, dass ich an Corona erkrankte.
Zehn Tage lag ich mit Fieber im Bett, die Lunge war angegriffen, und ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Es war kein schwerer Verlauf, aber doch so zehrend, dass ich Wochen brauchte, um mich zumindest ein bisschen zu erholen.
Bleierne Erschöpfung
Doch dann wurde es wieder schlimmer. Nach einem arbeitsreichen Frühjahr spielten Geruch und Geschmack völlig verrückt, mein Herz geriet grundlos ins Stolpern, ich bekam schwerer Luft, in der Nacht fand ich nicht mehr die Ruhe, die so dringend nötig gewesen wäre - und mich übermannte eine bleierne Erschöpfung, wie ich sie bislang nicht gekannt hatte.
Jede Konzentration ist nun ein Kraftakt. Als ob sich in meinem Kopf ein schwerer Stein abgelagert hätte, um den ich die Gedanken mit aller Gewalt vorbeiquetschen muss - ich bringe sie zwar ans erwünschte Ziel, aber es laugt mich völlig aus. Das Land erwachte nach dem Lockdown wieder zum Leben, aber ich nicht. Ich wollte so gerne - aber ich konnte einfach nicht. Fatigue, fast lieblich und elegant klingt dieser gnadenlose Zustand, der mich in meinem ganz persönlichen Lockdown gefangen hält.
Haben Sie Geduld. Diesen Satz habe ich in den vergangenen Wochen so oft gehört.
Franziska Trost
Sechs Wochen Krankenstand liegen hinter mir. Ich pilgerte vom Neurologen über Kardiologen bis hin zum TCM-Arzt. Ich bekam Powerinfusionen und Akupunktur. Morgens und abends schaufle ich mir ein beachtliches Sortiment an Tabletten, Nahrungsergänzungsmitteln und Aufbaudrinks rein. Tagtäglich verbiege ich mich beim Yoga, und auf Anraten der Neurologin habe ich Tausende Puzzle-Steinchen aneinandergefügt, um die Konzentration zu stärken.
Wundermittel Zeit
Aber vor allem bin ich viele Stunden in der Natur - die Dackeldame als Krankenschwester auf vier Pfoten bei meinen langen, aber gemächlichen Spaziergängen stets an meiner Seite. Ruhe, das Tempo rausnehmen, akzeptieren, dass man nicht so funktioniert, wie man es gewohnt ist, das ist wahrscheinlich die beste Therapie. Und das Wundermittel Zeit. Haben Sie Geduld. Diesen Satz habe ich in den vergangenen Wochen so oft gehört. Das dauert ... Wie lang, das kann einem aber niemand sagen.
Zu viele Menschen, zu viele Impulse, zu viel Anstrengung, jegliche Überforderung fachen die Fatigue nur neu an.
Franziska Trost
Ich bin in die Arbeit zurückgekehrt. Es ist ein erster Versuch - einer, der allerdings nur möglich ist, weil mich die „Krone“ es in meinem Tempo tun lässt. Ansonsten bleibe ich in meinem kleinen Lockdown. Zu viele Menschen, zu viele Impulse, zu viel Anstrengung, jegliche Überforderung fachen die Fatigue nur neu an.
Völlig aus dem Leben geworfen
Warum ich Ihnen das erzähle? Weil es so viele gibt, die an Long Covid leiden - und viel zu viele sind noch um einiges schwerer betroffen als ich. Völlig aus dem Leben geworfen von einem Virus, das einfach nicht verschwindet, das sich als diffuse Krankheit im Körper festsetzt, sich in den unterschiedlichsten Symptomen zeigt - und die Ärzte immer noch vor Rätsel stellt.
Mit der Delta-Welle, die bereits über uns hinwegrollt, werden es immer mehr werden. Es ist wichtig, darüber zu reden, weil sie Verständnis und Unterstützung brauchen - von der Politik, im Beruf und auch privat. Aber vor allem muss man junge Menschen daran erinnern, warum es so essenziell ist, sich und andere zu schützen - und impfen zu gehen. Corona mag als akute Krankheit für sie nicht so gefährlich sein, die Langzeitfolgen könnten aber auch ihr Leben völlig aus der Bahn werfen ...
„Komplexes Krankheitsbild“
Prim. Doz. Dr. Edmund Cauza, Abteilungsvorstand für Innere Medizin am Herz-Jesu Krankenhaus in Wien, hat mit seinem Team bereits 300 Patienten betreut.
„Krone“: Wie äußert sich das Long-Covid-Syndrom?
Prim. Doz. Dr. Edmund Cauza: Hierbei handelt es sich um ein neues, sehr komplexes Krankheitsbild, daher gibt es bis jetzt nur eine begrenzte Datenlage über dessen Auswirkungen. Symptome, die vier Wochen nach einer SARS-Cov-2-Infektion weiterbestehen oder neu hinzukommen, bezeichnet das Long-Covid-Syndrom. Als Hauptsymptom gelten extreme Müdigkeit und Erschöpfung, das sogenannte Fatigue-Syndrom. Mehr als 50 Prozent der Patienten sind davon betroffen. Zusätzlich zeigen sich Atemnot, Herzrasen, Husten, Brust-, Gelenkschmerzen sowie Schlafstörungen, aber auch neurologische und psychische Beschwerden. Insgesamt wurden bereits 200 unterschiedliche Long-Covid-Symptome beschrieben! Durchfälle, für die sich kein Grund finden lassen, sind ebenfalls möglich. Das macht die Behandlung so schwierig.
Womit erklärt man sich das?
Zurückführen lässt sich dies auf ein Zurückbleiben von Viren oder Virusbestandteilen im Organismus und/oder Organschädigungen (wie z. B. an Lunge, Herz oder Nervensystem) nach der akuten Infektion. Als weitere Ursachen gelten eine chronische Entzündungsreaktion und/oder eine Autoimmunreaktion, wie man sie etwa aus der Rheumatologie kennt.
Wir werden die Patienten längerfristig begleiten müssen, damit sie ins gewohnte Leben zurückfinden können.
Prim. Doz. Dr. Edmund Cauza
Gibt es schon Erfahrungen, wie lange so ein Krankheitszustand anhalten kann?
Darüber wissen wir noch zu wenig, es besteht ja erst 13 bis 16 Monate Beobachtungszeitraum. Man kann aber durchaus häufig mit der Zeit eine Symptomreduktion beobachten. Manche Patienten sind jedoch langfristig betroffen, was eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit bedeuten kann. Es ist zu befürchten, dass bei etlichen das Immunsystem lebenslänglich beeinträchtigt bleibt.
Welche Therapien stehen derzeit zur Verfügung?
Eine gesicherte kausale Therapie existiert zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Es wird ein individueller Trainings- und Therapieplan erforderlich sein, der sich individuell nach dem jeweiligen Krankheitsmuster richtet. Medikamente helfen selten, es geht vielmehr um ein fächerübergreifendes Konzept, welches sich aber erst in den Kinderschuhen befindet. Dieses Programm sollte physio- und ergotherapeutische Behandlungen, Gedächtnistraining, diätetische Maßnahmen u. v. m. beinhalten und fächerübergreifend entwickelt werden. Wir werden die Patienten längerfristig begleiten müssen, damit sie ins gewohnte Leben zurückfinden können. Etwa 10 bis 15 Prozent aller SARS-Cov-2-Infizierten entwickeln die genannten Langzeitprobleme, und man muss von derzeit knapp 700.000 genesenen Covid-Patienten in Österreich ausgehen (d. h., jeder siebente bis zehnte Patient ist davon betroffen).
Wichtiger wäre es, dass vor allem Erwachsene, die im Berufsleben stehende Bevölkerung, flächendeckend geimpft werden.
Der Mediziner
Ist die Impfung als Schutzmaßnahme zu empfehlen?
Ich rate unbedingt dazu, da führt kein Weg daran vorbei! Herzkreislauf-Komplikationen sind gerade in den ersten sechs Monaten nach der Infektion besonders erhöht (dazu zählen Herzinfarkte, Schlaganfälle und Lungenembolien). Eine Ausnahme bei der Impfung bilden Kinder, da die Mehrheit aller mit Covid-19 infizierten Kinder nur wenige oder gar keine Symptome entwickeln. Es wird die Impfung in dieser Altersgruppe deshalb angeboten, damit sie nicht als Verteiler der Viruserkrankung fungieren können. Wichtiger wäre es, dass vor allem Erwachsene, die im Berufsleben stehende Bevölkerung, flächendeckend geimpft werden.
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