WhatsApp-Chef Will Cathcart hat Enthüllungen zur Überwachungssoftware Pegasus der israelischen Firma NSO als „Weckruf“ bezeichnet. „Mobiltelefone sind entweder für jeden sicher oder sie sind nicht für jeden sicher“, sagte er der britischen Zeitung „The Guardian“ am Samstag. „Wenn das Journalisten auf der ganzen Welt betrifft, wenn das Verteidiger von Menschenrechten auf der ganzen Welt betrifft, dann betrifft das uns alle.“
Zuletzt wurde von einem Journalistenkonsortium international darüber berichtet, dass mit der Software Pegasus Smartphones von zahlreichen Journalisten, Menschenrechtlern, Politikern und Geschäftsleuten ausgespäht worden sein könnten. Die aktuellen Enthüllungen stimmten mit dem überein, was WhatsApp NSO bereits 2019 vorgeworfen habe, erklärte Cathcart: Hochrangige Regierungsbeamte auf der ganzen Welt - darunter auch Personen in hohen Positionen der nationalen Sicherheit - seien bei einem Angriff auf 1400 WhatsApp-Nutzer im Jahr 2019 von Regierungen mit der Spionagesoftware ins Visier genommen worden.
Facebook, dem WhatsApp gehört, hatte NSO 2019 in den USA verklagt. Der Vorwurf lautet, NSO habe versucht, sich über eine später geschlossene Sicherheitslücke bei WhatsApp Zugriff auf Hunderte Smartphones zu verschaffen. Unter den Zielpersonen seien Journalisten, Anwälte, Dissidenten, Menschenrechtler, Diplomaten und Regierungsbeamte gewesen. NSO wehrt sich vor Gericht. Die Firma betont, dass Verträge mit Kunden wegen des Verdachts von Menschenrechtsverletzungen gekündigt worden seien.
Die NSO Group behaupte, dass eine große Anzahl von Regierungen ihre Software kaufe, sagte Cathcart. „Das bedeutet, dass diese Regierungen (...) das finanzieren.“
NSO weist Vorwurf zurück
Die NSO Group warf dem WhatsApp-Chef vor, absichtlich irreführend zu sein. Ihre Produkte, die an „sicherheitsüberprüfte“ ausländische Regierungen verkauft würden, könnten nicht für Cyberüberwachung in den USA verwendet werden, sagte ein Sprecher des Unternehmens am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. „Keinem ausländischen Kunden wurde jemals eine Technologie gewährt, die es ihm ermöglichen würde, auf Telefone mit US-Nummern zuzugreifen.“ Die NSO Group habe zudem keinerlei Einblick in die Daten ihrer Kunden.
Journalisten fordern EU-Verbot für Pegasus-Software
Die Vereinigung der Europajournalisten/Association of European Journalists (AEJ) forderte indes am Samstag ein sofortiges EU-weites Einfuhr-Verbot der Überwachungssoftware. In einem offenen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verlangte die Organisation überdies eine offizielle Untersuchung darüber, inwieweit die Software oder andere Formen elektronischer Überwachung von den EU-Staaten verwendet werden, vor allem in Ungarn.
Dort soll es laut „Telex.hu“ mehr als 300 Ziele einer Überwachung mittels Pegasus gegeben haben, wobei die konkrete Zahl der tatsächlich erfolgreichen Angriffe gegen Gegner der rechtsnationalen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban nicht bekannt sei. Bisher identifiziert seien laut „Telex.hu“ unter anderem vier Journalisten und ein Fotograf.
In Ungarn sei die Spähsoftware aufgetaucht, nachdem es 2016 und 2017 hochrangige Treffen zwischen der israelischen und ungarischen Regierung gegeben hatte. Die Regierung Orban hat bisher lediglich betont, keine Kenntnis über die angebliche Datensammlung zu haben. Ungarn sei ein „Rechtsstaat, sodass in jedem Einzelfall gemäß den geltenden Rechtsregeln vorgegangen wird“.
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