Die Niederösterreicherin Anna Kiesenhofer hat am Sonntag für die große Sensation bei den Olympischen Spielen in Tokio gesorgt. Als Außenseiterin eroberte die 30-Jährige die Goldmedaille im Rad-Straßenrennen der Frauen, das erste Edelmetall des ÖOC-Teams in Japan. Gleich nach dem Start initiierte sie eine fünfköpfige Spitzengruppe, ließ in der Folge die Mitstreiterinnen auf der 137-km-Strecke zurück und triumphierte nach einer 41-km-Solofahrt.
Die gebürtige Weinviertlerin holte das erste Rad-Olympia-Gold für Österreich seit Adolf Schmal 1896 im Zwölf-Stunden-Rennen in Athen und die erste Goldene seit den zwei Siegen durch Triathletin Kate Allen und den Tornado-Segler Roman Hagara/Hans Peter Steinacher 2004 in Athen. Im Ziel auf dem Fuji-Speedway triumphierte sie mit mehr als einer Minute Vorsprung vor der Niederländerin Annemiek van Vleuten.
Die Mathematikerin Kiesenhofer düpierte mit dem frühen Angriff und dem Durchhalten bis ins Ziel, das im modernen Radsport seinesgleichen sucht, die von den Niederländerinnen angeführte Konkurrenz. Die Asse wie Rio-Olympiasiegerin Anna van der Breggen und Ex-Weltmeisterin Van Vleuten verrechneten sich, sie hatten die ihnen weitgehend unbekannte Wissenschaftlerin und Rad-„Amateurin“ offensichtlich unterschätzt.
Kiesenhofer hatte die 2017 begonnene Profikarriere bei einem belgischen Team noch im gleichen Jahr wieder beendet. „Ich habe gemerkt, dass der Profisport für mich ein zu großer körperlicher und psychischer Stress ist und ich lieber nur Hobbysport mache“, betonte sie im Vorfeld der Spiele.
Es folgten zwei Jahre ohne Rennen und ab 2019 ein Neubeginn mit jeweils nur ausgewählten Bewerben. Neben einem internationalen Sieg bei der Ardeche-Rundfahrt 2016 hat sie „nur“ Erfolge in der Heimat vorzuweisen, zuletzt drei ÖRV-Titel im Einzelzeitfahren und einen 2019 im Straßenrennen.
Der 55 kg leichten Österreicherin, im Teamauto von Nationaltrainer Klaus Kabasser betreut, fehlt die Erfahrung von großen Straßenrennen. Im engen Pulk fühlt sie sich nicht so wohl. Daher fuhr sie die ersten, neutralen Kilometer bis zum Start auch einige Meter hinter dem Feld. Doch nachdem das Rennen bei 34 Grad Hitze auf dem hügeligen Kurs mit dem Fuji Sanroku (1.451 m) als höchstem Punkt freigegeben war, trat Kiesenhofer gleich voll an.
Im Finish kamen der Wahl-Schweizerin die Qualitäten im Einzelzeitfahren zugute. Für diese Disziplin hatte Österreich aber für die Sommerspiele keinen Quotenplatz erhalten. „Wenn ich tauschen könnte, wäre mir das Einzelzeitfahren lieber“, hatte Kiesenhofer vor ihrem Start zur APA gemeint. Diese Ansicht hat sie am Sonntag mit einer der größten Überraschungen in diesem Sport wohl revidiert.
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