Mithilfe am Berg platzierter Sensoren will der Informatiker und Bergführer Jan Beutel mögliche Felsstürze erkennen und so Siedlungsgebiete vor den Folgen des Klimawandels schützen. Nach jahrelanger Forschungstätigkeit am Matterhorn in der Schweiz wolle er nun in seiner Heimat Tirol auf den bisherigen gemachten Erkenntnissen aufbauen und „die nächste Generation intelligenter Sensoren entwickeln“, so Beutel im Interview.
Noch als Forscher an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, hat Beutel 2008 mit seiner Forschungsgruppe 29 Sensoren am Matterhorn installiert, um den Einfluss des Klimawandels auf die Stabilität steiler Felswände zu untersuchen. „Der Patient passte nicht in ein Labor, das Labor musste also auf den Berg kommen“, so Beutel im APA-Interview. In 3500 Metern Höhe zeichnen die drahtlosen Geräte akustische Signale auf und messen unter anderem Spaltbewegungen und Schwingungen.
Ähnliche Aufzeichnungen soll es künftig auch in Tirol geben. Weil die Tiroler Berge niedriger als die Schweizer Westalpen sind, könne man durch Daten Vergleiche und Rückschlüsse auf künftige Ereignisse ziehen. „Es ist wie ein Zeitraffer: Der Gletscherrückgang, den wir heute etwa in den Ötztaler Alpen erleben, wird sich in den Westalpen in derselben Form wahrscheinlich in zehn, 20 Jahren zeigen“, so Beutel.
Die einzelnen Sensoren kommunizieren nicht wie Handys direkt mit Sendemasten, sondern untereinander - quasi „wie stille Post“. Von der Datensammelzentrale werden die Informationen dann über ein drahtloses Netzwerk zur Verarbeitung in die Labore der Universität geschickt, erklärte Beutel die Funktionsweise hinter den Messungen. Der Strom für die Zentrale wird durch Solarpaneele erzeugt, die einzelnen Sensoren benötigen nur eine Batterie.
Mehr Felsstürze durch Erderwärmung
Im Zuge ihrer Aufzeichnungen habe sich bestätigt: Hochalpine Felsstürze häufen sich, meinte Beutel. Das liege unter anderem auch an der Klimaerwärmung. Weil der Permafrostboden auftaut, werden Felsen instabiler. Zudem führen - wie sich in den vergangenen Wochen gezeigt habe - starke Regenfälle zu Erdrutschen und Murenabgängen. Ihm gehe es vor allem um den Schutz von Siedlungsgebieten. Entscheidungsträger, etwa örtliche Bürgermeister, sollten datenbasiert Vorbereitungen treffen können, so seine Vision.
Dabei sei es wichtig, lokal und bestenfalls direkt am Fels Daten zu erheben. „Wir planen - wie auch am Matterhorn - drahtlose Sensoren direkt am Fels zu installieren“. Dort wolle man die Sensoren nicht händisch installieren, sondern Drohnen nützen, die Aufzeichnungen im unwegsamen Gelände ermöglichen, meinte der Forscher. Für Tests und die Entwicklung neuer Methoden eigne sich die Umgebung rund um die Universität Innsbruck perfekt.
„Intelligente Sensoren“ sollen Muster erkennen
Man habe in Tirol zwar eine „gute Übersicht, wo sich Sorgengebiete befinden“, dennoch könne man Felsstürze nie vorhersehen. Trotz der drohenden Gefahr für den Siedlungsraum sei es allerdings „schlicht unmöglich und auch nicht zielführend“, Sensoren auf allen Bergen zu installieren: „Dann würden wir in einer Datenflut ertrinken“, erklärte der Pitztaler. Hier wolle er einhaken - Messungen sollen „nicht nur robuster sondern auch effizienter“ werden. Möglich werde das durch „intelligente Sensoren“.
„Felsen bewegen sich nach Mustern“, erklärte Beutel. Die nächste Generation von Geräten soll künftig nur dann Daten generieren, wenn „es erwiesenermaßen zum meisten Mehrwert führt“ - das Muster also durchbrochen wird. Gesammelte Daten müssten dann aber erst entsprechend aufbereitet werden: „Am Schluss muss der Bürgermeister managen - die Daten müssen eine verständliche Entscheidungshilfe liefern“, so der Wissenschaftler.
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