Michaela Polleres hat am Mittwoch Österreichs zweite Judo-Medaille bei den Olympischen Spielen in Tokio gewonnen. Die Niederösterreicherin holte in der Klasse bis 70 kg Silber. Die 24-Jährige musste sich erst im Finale der Japanerin Chizuru Arai geschlagen geben. Am Vortag hatte bereits ihr Teamkollege Shamil Borchashvili in der Kategorie bis 81 kg Bronze erobert.
Das ÖOC-Team hält nach fünf Wettkampftagen der Tokio-Spiele bereits bei einem kompletten Medaillensatz. Gold hatte am Sonntag sensationell Anna Kiesenhofer im Rad-Straßenrennen geholt.
Polleres setzte sich im Halbfinale im Duell der beiden WM-Dritten gegen die Niederländerin Sanne van Dijke mit einer Waza-Ari-Wertung durch. Die 27-jährige Arai hatte mit der Russin Madina Taimasowa in der Vorschlussrunde deutlich länger zu kämpfen, siegte nach einem Marathon-Duell erst im Golden Score nach 12:41 Minuten.
Arai bringt Waza-Ari über die Zeit
Im Finalkampf mobilisierte die Weltmeisterin von 2017 und 2018 noch einmal alle Kräfte, brachte Polleres nach etwas mehr als einer Minute auf den Boden und sich selbst die letztlich entscheidende Waza-Ari-Wertung ein. Polleres blieb aktiv, Arai brachte den Festhaltegriff aber über die Zeit. Die Bronzemedaillen sicherten sich Taimasowa und Van Dijke.
Auf dem Weg zum Poolsieg hatte sich Polleres gegen die Irin Megan Fletcher (Waza-Ari), die Südkoreanerin Kim Seongyeon (im Golden Score mit Waza-Ari) und die Weltranglisten-Siebente Barbara Matic aus Kroatien (Waza-Ari) durchgesetzt. Zuvor war da ein Ippon zurückgenommen worden. „Es kann leider immer passieren. Wichtig ist, dass man dann fokussiert bleibt und nicht schon abgeschlossen hat“, sagte die von Nationaltrainerin Yvonne Bönisch gecoachte Kämpferin vor der Finalsession.
Revanche gegen Matic geglückt
Im WM-Halbfinale in Budapest war Polleres Matic noch unterlegen. Auch Fletcher und Kim waren bei der Ungarn-WM im Juni Gegnerinnen, beide besiegte sie auch damals. Als erste ÖJV-Medaillengewinnerin bei Welttitelkämpfen seit elf Jahren hatte Polleres bereits dort bewiesen, dass sie ganz vorne mitkämpfen kann. „Mir wurde eine Last von den Schultern genommen, ich habe neues Selbstvertrauen bekommen“, sagte die Olympia-Zweite über das WM-Turnier vor eineinhalb Monaten.
Polleres begann mit acht Jahren mit dem Judosport. „Mit Judo konnte nichts konkurrieren, ich habe ein paarmal versucht, Tennis zu spielen. Bei einer Judovorführung in der Schule dachte ich mir, das schaut cool aus, das probiere ich.“ Der Start verlief aber etwas holprig, denn Polleres war immer schon eher zurückhaltend. „Ohne meine Eltern wäre nichts gegangen. Mama hat mich regelmäßig hingebracht zum Training. Ich habe einen kleinen Schubs gebraucht, weil ich so schüchtern war. Dann habe ich neue Freunde kennengelernt. Es hat so viel Spaß gemacht, dass ich dabeigeblieben bin.“
Ihr Vereinstrainer ist seit vielen Jahren Adi Zeltner. Anfang Jänner wurde der Kreis mit der deutschen Olympiasiegerin Bönisch erweitert. „Es ist ihre Ruhe, die mich manchmal aus der Ruhe bringt“, sagte die ÖJV-Nationaltrainerin über Polleres. Doch diese Ruhe würde ihren Schützling auch auszeichnen. Die Nerven nicht wegzuschmeißen sei sicher kein Nachteil in einem Olympiaturnier, meinte Bönisch. Das zeigte Polleres im altehrwürdigen Budokan von Tokio eindrucksvoll.
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