Seit Beginn der ÖVP-Kanzlerschaft 2017 wird eine große Pflegereform angekündigt, auch diese Woche versprach Türkis-Grün erste Schritte einer solchen im Herbst. Passiert ist allerdings noch kaum etwas, weshalb die großen Pflegeorganisationen Alarm schlagen. Selbst aus der ÖVP kommt nun harte Kritik. Eine IHS-Expertin erklärt, was jetzt zu tun wäre.
Der offene Brief der Pflegeorganisationen an die Bundesregierung hat es ja generell in sich, aber vor allem ein Satz lässt die Alarmglocken schrillen: „Eine adäquate Versorgung ist ohne entschlossene Maßnahmen in Zukunft nicht aufrechtzuerhalten!“, schreiben Caritas, Hilfswerk & Co.
Das hat zuvorderst einmal mit der Alterung der Gesellschaft zu tun: Im Jahr 2050 wird es 1,2 Millionen Menschen über 80 geben – das sind rund dreimal so viele wie derzeit. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird von rund einer halben Million auf 750.000 steigen, Pflegeausgaben (gemessen am Bruttoinlandsprodukt) verdoppeln sich bis 2070. Und die Personalnot steigt massiv: Allein bis 2030 werden laut Studien zusätzlich 75.000 Pflegekräfte gebraucht, Mitarbeiter fehlen an allen Ecken und Enden.
Allein: Was tun? Dass sich die türkis-grüne Koalition nun zuerst auf das Thema Ausbildung konzentrieren will, findet Monika Riedel vom Institut für höhere Studien (IHS) schon einmal richtig: „Man muss“, sagt die Expertin, „einmal die Personalknappheit bekämpfen.“
Nicht auf Pfleger aus dem Ausland verlassen
Diese führt laut Riedel nämlich auch dazu, dass viele den Job aufgrund von zu hoher Belastung nicht lange durchhalten. „Und man darf sich nicht darauf verlassen, dass wir die Pflegekräfte aus dem Ausland importieren können.“ Neben weiteren Personaloffensiven seien auch Entlastungen pflegender Angehöriger vonnöten, und zwar nicht nur finanzieller Natur: Sie fordert „niederschwellige Unterstützung“, etwa durch mehr Tageszentren und einen Ausbau mobiler Dienste. Zudem bräuchten vor allem Angehörige Informations-Drehscheiben, wie es sie mancherorts schon gibt.
Der Druck auf die Regierung steigt jedenfalls, denn nicht nur die Pflegeorganisationen fordern mehr Tempo: SPÖ-Mann Christian Deutsch etwa will eine Offensive mit Pflegestiftung und anderen Initiativen statt „bloßer Ankündigungen“. Selbst Ingrid Korosec, Chefin des ÖVP-Seniorenbundes, will „endlich Nägel mit Köpfen“ sehen, bisher sei viel zu wenig geschehen.
Und der zuständige Minister? Wolfgang Mückstein erklärte, dass er die Forderungen aus dem Brief „gut verstehen“ könne. Den Vorwurf, dass nichts weitergegangen sei, könne er – auf eine Arbeitsgruppe verweisend – nicht nachvollziehen.
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