Geld bleibt liegen

Millionen an Studienbeihilfe ungenützt

Österreich
23.02.2011 11:59
Fast 65.700 Personen haben im Studienjahr 2009/10 einen Antrag auf Studienbeihilfe gestellt, das sind 18 Prozent aller Studenten. Rund 174 Millionen Euro wurden für sie ausgeschüttet. Laut Schätzungen von Ursula Fehlinger, der Leiterin der Studienbeihilfebehörde, hätten allerdings weitere zehn Prozent der heimischen Hochschüler aufgrund sozialer Bedürftigkeit Anspruch auf Unterstützung.

"Die soziale Sicherheit der Studierenden wird ausgehöhlt! Es gibt zwar einen Rechtsanspruch auf Stipendien, die rechtlichen Bestimmungen sind aber viel zu eng!" Das sind Zitate aus Aussendungen der Österreichischen Hochschülerschaft der letzten Monate. Die offiziellen Vertreter und Berater der heimischen Hochschüler beklagen "Feldzüge" und "Rundumschläge" gegen Studierende. Die Kritik mag auf Hochschulfinanzierung, Zugangsbeschränkungen und die fortwährende Debatte um Studiengebühren in vielerlei Hinsicht zutreffen, auf das Thema Stipendien werfen die Aussagen Fehlingers aber ein anderes Licht.

Laut der Behördenleiterin bleiben vor allem viele der geringeren Beträge liegen, schließt sie aus der Verteilung der Stipendien. Doch die Hochschüler verzichten dabei nur scheinbar auf "Peanuts". Wer kein Stipendium bekommt, ist nämlich auch von anderen Begünstigungen wie Fahrtkostenzuschuss oder Auslandsbeihilfe ausgeschlossen. Das heißt, selbst wenn im Monat nur fünf Euro "herausschauen" würden - das ist die Zuschuss-Untergrenze -, mit den zusätzlichen Begünstigungen könnte sich die Gesamtunterstützung noch weiter erhöhen. "Ich kann nur sagen: Antrag stellen, Antrag stellen, Antrage stellen", appelliert Fehlinger gegenüber krone.at an die Studenten.

Studenten werden nicht entsprechend informiert
Dass derzeit viele Studenten gar nicht erst ausloten, ob ihnen Unterstützung zustünde, führt die Behördenleiterin auf die Unkenntnis des Angebots zurück, über das ihre Behörde, aber auch die ÖH eigentlich informieren sollte. Passiv wird das auf beiden Seiten mit Broschüren erledigt, die aktive Information z.B. an Schulen greift jedoch offenbar zu kurz.

Auch die Angst, wegen mangelnden Studienerfolgs das Stipendium zurückzahlen zu müssen, sieht Fehlinger als Hemmnis. Diese wäre mit entsprechender Information aber leicht zu überwinden. Eine Rückzahlung kann nämlich praktisch nur im ersten Studienjahr passieren, danach muss jeder Bezieher im Prinzip nur einen minimalen Studienerfolg nachweisen, um Beihilfe zu erhalten. Schafft ein Student mindestens 30 ECTS, hat er auch im kommenden Jahr Anspruch auf sein Stipendium; erst bei weniger als 15 ECTS muss man zurückzahlen. Zur Einordnung: Pro akademischem Jahr werden 60 ECTS als Arbeitspensum eines Vollzeitstudenten angenommen. "Man kann also ganz gefahrlos einen Antrag stellen", so Fehlinger.

Fehlinger: Kein Behörden-Hürdenlauf mehr nötig
Und noch mit einem anderen Vorurteil will Fehlinger aufräumen: Im Gegensatz zu früher sei es mittlerweile sehr einfach, um ein Stipendium anzusuchen. Viele Vorgänge seien bereits automatisiert, man müsse nur noch wenige Daten selbst liefern. Seit 2005 gibt es außerdem "Systemanträge": Der Student muss also nur einen Antrag stellen, danach wird er jährlich automatisch vom System neu generiert. Fehlende Unterlagen werden per E-Mail angefordert. 2010 wurde ein Viertel aller Anträge bereits vollautomatisch bewilligt.

Und auch für den Erstantrag muss man schon länger nicht mehr persönlich zu einer der sechs Stipendienstellen fahren: Alle Formulare können auf der Website der Studienbeihilfenbehörde heruntergeladen und per Post verschickt oder - wenn man Besitzer einer Bürgerkarte ist - überhaupt gänzlich online ausgefüllt werden.

174 Millionen Euro ausgeschüttet
Von den 65.671 Anträgen auf Studienbeihilfe im Jahr 2009/10 - im Studienjahr 2005/06 waren es noch rund 68.000 - wurden rund 70 Prozent genehmigt, die Behörde hat dafür insgesamt rund 174 Millionen Euro ausgeschüttet. Wie Fehlinger gegenüber krone.at erklärte, handelt es sich dabei nicht um einen Budgettopf, den die Stipendienstelle vergeben muss. Es sei so viel Geld da, wie Bedarf sei, erklärt die Behördenleiterin.

Die Zuschüsse für die Beihilfebezieher betragen dabei grundsätzlich zwischen fünf und 475 Euro pro Monat. Zusätzliche Unterstützung bekommen Studenten, die nicht bei den Eltern wohnen, Studenten mit Selbsterhalterstipendium, Vollwaisen, Studenten mit Sorgepflichten und solche, die verheiratet sind. Insgesamt bekommen jene, die Anspruch auf das Höchststipendium haben, damit 679 Euro pro Monat. Das Stipendium wird auf Basis des Einkommens der Eltern, des Studenten selbst - wenn er mehr als 8.000 pro Jahr verdient - und jenem eines allfälligen Ehepartners berechnet. Dabei wird die zumutbare Unterhaltsleistung herangezogen, zu der die Eltern gesetzlich verpflichtet sind. Verdienen die Eltern zu wenig, um studierende Kinder zu unterstützen, haben diese ebenfalls Anspruch auf das Höchststipendium. Laut Behörde fallen 50 Prozent der Studienbeihilfebezieher in diese Gruppe.

Die ÖH bekrittelte kürzlich, dass die Stipendien nicht an die Inflation angepasst würden, was bedeute, dass sich "Studierende bald trotz Stipendium nicht mehr genügend Lebensmittel leisten können". Derzeit würden über 60 Prozent der Studierenden durchschnittlich 20 Stunden pro Woche arbeiten. Wie viele davon dies freiwillig tun bzw. wer arbeiten muss, um nicht in die Armut zu schlittern, ist unbekannt. Die ÖH fordert jedenfalls "eine echte Grundsicherung für Studierende". "Dann müssten sie weniger arbeiten, könnten schneller und besser studieren, und es gäbe weniger Drop-outs".

Mehr Anträge wegen Familienbehilife-Streichung erwartet
Ab dem Wintersemester rechnet Fehlinger allerdings mit mehr Anträgen. Grund dafür ist die Streichung der Familienbeihilfe für 24- und 25-Jährige, durch die der Anteil an Studenten dieser Altersgruppe, die als sozial bedürftig eingestuft werden, steigen wird. Während die Familienbeihilfe an die Eltern überwiesen wird, geht das Stipendium übrigens direkt an die Studenten.

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