Das Abo-Netzwerk Onlyfans, das Erotik-Models den Online-Direktvertrieb ihrer Arbeit ohne Mittelsmann ermöglicht, hat in den vergangenen Monaten viele Schlagzeilen gemacht: In der Pandemie explodierten die Nutzerzahlen, manche Models auf der Plattform verdienten Millionen. Doch solche Erfolgsstorys seien die Ausnahme, die Realität sehe ganz anders aus, rechnet eine Sexarbeiterin mit der Plattform ab. In ihrem Buch erzählt sie von den Schattenseiten.
Die Australierin Tilly Lawless arbeitet als Prostituierte und Autorin. In ihrem neuen Buch namens „Nothing But My Body“ rechnet sie mit ihrer Zeit auf Onlyfans ab - und zerstört den Mythos, dass die Plattform Models über Nacht reich mache. Lawless: „Sicher, die besten zwei Prozent machen dort ein großartiges Einkommen. Aber das heißt, dass 98 Prozent nicht ansatzweise so viel Geld machen.“
Pandemie trieb Lawless zu Onlyfans
Sie selbst sei im März 2020 eine jener vielen Prostituierten gewesen, die sich aufgrund von Lockdowns und geschlossenen Bordellen trotz Privatsphäre-Bedenken auf der Plattform angemeldet hätten. Schnell bemerkte Lawless aber: Prostituierte sind auf Onlyfans nicht so wirklich willkommen. „Onlyfans mag keine richtigen Sexarbeiter, weil sie nicht dafür verantwortlich gemacht werden wollen, wenn zur Prostitution aufgerufen wird“, schreibt sie in einem Beitrag im „Guardian“.
Während der vier Monate, die ich es aktiv benutzt habe, habe ich mir dauernd Sorgen gemacht, rausgeworfen zu werden.
Tilly Lawless, Sexarbeiterin
Bei Regelverstößen - und sei es nur ein Angebot eines Abonnenten - drohe dieser Personengruppe jederzeit der Rauswurf und der Verlust ihrer Einkünfte. „Während der vier Monate, die ich es aktiv benutzt habe, habe ich mir dauernd Sorgen gemacht, rausgeworfen zu werden.“ Ein weiteres Problem: Werbung für Onlyfans werde wiederum auf anderen Plattformen wie Instagram nicht gern gesehen und könne dort zum Rauswurf führen. „Ich lebte viele Monate lang in einem seltsamen prekären Online-Raum, in dem Werbung für oder schlicht die Existenz meiner Arbeit den Rest bedrohte.“
Lawless arbeitet lieber in einem Bordell
Lawless berichtet: „Bekannte Influencer und Berühmtheiten können dort unglaublich viel Geld verdienen. Aber für die durchschnittliche Person dauert es Monate, genug Abonnenten zu gewinnen, um davon leben zu können, geschweige denn gut daran zu verdienen.“ Die Plattform könne ihre Versprechen nicht halten, eine Schicht im Bordell biete das sicherere Einkommen und geregelte Arbeitszeiten. „Ich stelle die Plattform und den Lebensunterhalt, den sie vielen bietet, nicht infrage, wohl aber die ganze damit verbundene Aufregung.“
Es machte Dinge zu Arbeit, die ich vorher zu meinem persönlichen Vergnügen gemacht habe.
Tilly Lawless, Sexarbeiterin
Für Menschen, die dort noch nicht zu den Topverdienern gehören, sei Onlyfans ein 24-Stunden-Job. Dinge, die ihr früher Freude gemacht hätten, seien plötzlich Arbeit gewesen. „Es machte Dinge zu Arbeit, die ich vorher zu meinem persönlichen Vergnügen gemacht habe“, klagt Lawless an. Selbst nachdem sie der Plattform den Rücken gekehrt hatte, habe sie sich lange Zeit nicht wohlgefühlt. „Ich habe, nachdem ich mit Onlyfans aufgehört hatte, fünf Monate nicht masturbiert. Die Monate, in denen ich mich dabei gefilmt habe, haben es für mich ruiniert.“
Auf Onlyfans will ich nie wieder zurück und ich kann es nicht erwarten, nicht mehr danach gefragt zu werden.
Tilly Lawless, Sexarbeiterin
Als nach dem Lockdown die Bordelle wieder öffneten, sei sie „voller Freude und Erleichterung“ gewesen. Mittlerweile sind die Etablissements in Australien pandemiebedingt wieder geschlossen, aber Onlyfans ist für Lawless trotzdem keine Option mehr. Sie versuche es jetzt lieber als Autorin. Lawless: „Auf Onlyfans will ich nie wieder zurück und ich kann es nicht erwarten, nicht mehr danach gefragt zu werden.“
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.