Mit Know-how aus Salzburg können kriminelle Bildmanipulationen bei Reisepässen aufgedeckt werden. Die Arbeitsgruppe um den Salzburger Computerwissenschaftler Andreas Uhl entwickelte mit Forschenden aus Deutschland eine neue, automatisierte Methode, die gemorphte Bilder erkennt. Mit dem digitalen Verschmelzen der Fotos von zwei Personen zu einem Bild, genannt „Face Morphing“, versuchen Kriminelle, die Kontrollen an Flughäfen auszutricksen.
Die neue Methode basiert auf der „Photo response non-uniformity“, kurz PRNU, einer Art unverwechselbarem Fingerabdruck der Kamera, wie die Universität Salzburg informierte. Weltweit bekannt wurde die Technik des Face Morphing durch den Videoclip zu „Black or White“ von Popsänger Michael Jackson, in dem Menschen unterschiedlicher Herkunft ineinander verwandelt werden.
Früher Hollywood-Technik, heute frei verfügbar
Waren die beeindruckenden Effekte, die durch das digitale Verschmelzen von zwei Bildern entstehen, zunächst primär auf die Filmindustrie beschränkt, lassen sie sich heutzutage mit frei verfügbaren Computerprogrammen für fast jedermann kreieren. So kann man zum Beispiel zu Betrugszwecken auch ein Passfoto basteln, das zwei Menschen ähnlich schaut, einem Verbrecher und einem unbescholtenen Bürger oder genauer gesagt einem, der zumindest in keiner Datenbank aufscheint.
Solche Fälle sind dokumentiert. Wie groß das Problem zahlenmäßig ist, wissen wir nicht.
Computerwissenschaftler Andreas Uhl
„Das ist das Rezept für einen Pass für zwei“, hieß es in der Aussendung der Universität Salzburg. Der Unbescholtene beantragt den Pass, der Kriminelle kann ihn dann ebenfalls nutzen, unbehelligt durch Fahndungslisten. Das verschmolzene Foto schaut ihm ähnlich genug, um durch die Kontrollen zu kommen. „Solche Fälle sind dokumentiert. Wie groß das Problem zahlenmäßig ist, wissen wir nicht“, erklärt Uhl, Professor für Computerwissenschaft an der Universität Salzburg. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit visuellen Daten an der Schnittstelle zwischen Sicherheit, Erkennung und maschinellem Lernen.
Im Jahr 2014 haben Informatiker in einer Arbeit mit dem Titel „The magic passport“ erstmals das Problem der gemorphten Passbilder beschrieben. „Ausführliche Studien haben in den letzten Jahren belegt, dass sowohl Grenzbeamte bei manueller Kontrolle als auch bei Automated Border Control Gates, kurz ABC Gates, an Flughäfen, ausgestattet mit automatisierter Gesichtserkennung, durch solchermaßen ausgestellte Pässe getäuscht werden können. Es handelt sich also um ein offensichtliches Sicherheitsproblem“, so Uhl.
Deutschland hat bereits reagiert
Deutschland hat unlängst durch eine Modifikation der Gesetzeslage darauf reagiert. Personen können künftig nicht mehr ihre ausgedruckten analogen Passbilder zum Passamt bringen. Die Passbilder werden entweder direkt am Passamt angefertigt oder aber durch einen lizenzierten Fotografen digital signiert per E-Mail an das Passamt übermittelt.
In vielen Ländern - inklusive Österreich - ist die Verwendung von ausgedruckten analogen Passbildern, die von den Bürgerinnen und Bürgern beigebracht werden, noch Standard.
Computerwissenschaftler Andreas Uhl
„In vielen anderen Ländern - inklusive Österreich - ist die Verwendung von ausgedruckten analogen Passbildern, die von den Bürgerinnen und Bürgern beigebracht werden, noch Standard. Damit wird die Gefährdung durch gemorphte Bilder in Pässen und ähnlichen Dokumenten noch länger existieren“, meint der Experte.
Detektor für manipulierte Fotos entwickelt
Umso wichtiger sei es daher, automatische Methoden zu entwickeln, um derart modifizierte Bilder zu erkennen. Genau das habe Uhls Arbeitsgruppe - allen voran Luca Debiasi - gemeinsam mit Kollegen der Hochschule Darmstadt geleistet, so die Uni Salzburg. Debiasi habe wesentliche Teile seine Dissertation dieser Thematik gewidmet. Er wurde als Hauptentwickler der neuen Methode vor kurzem mit dem „Young Investigators Award“ der Universität Salzburg ausgezeichnet.
Mithilfe der PRNU kann man im Bereich der digitalen Medienforensik ein aufgenommenes Foto eindeutig einer Quellkamera zuordnen.
Luca Debiasi, Uni Salzburg
„Die PRNU bildet gewissermaßen einen unverwechselbaren Fingerabdruck der Sensorzellen einer Kamera, konkret hat es mit dem Ansprechen der Sensorzellen auf eine gleichförmige Lichtquelle zu tun. Mithilfe der PRNU kann man im Bereich der digitalen Medienforensik ein aufgenommenes Foto eindeutig einer Quellkamera zuordnen“, schildert Debiasi die neue Methode.
Durch das Mischen von zwei Bildern werden PRNU-Eigenschaften verändert. „Man kann also das PRNU-Signal verwenden, um zu erkennen, ob Bilder gemorpht sind. Das war die Idee, die am Anfang unserer Arbeiten stand“, erklärt der Wissenschaftler. „Wir haben die Idee dann in Software gegossen, also einen Morphing-Erkennungs-Algorithmus entwickelt, der auf der Analyse der PRNU basiert, und große Experimente mit gemorphten Bildern in Datenbanken gemacht.“
Technik auch gegen Kinderschänder verwendet
Aufgrund seiner Expertise hat Debiasi auch einige Wochen bei einem Kinderpornografie-Aufklärungsprojekt am schwedischen National Forensic Center NFC mitgearbeitet. Es ging darum festzustellen, von wie vielen Kameras bzw. Tätern das Material stammt. Die großen Datenmengen sollten in Cluster gruppiert werden, um herausfinden, ob man ähnliche Bilder schon in einer Datenbank hat und so Verbindungen zu anderen Fällen herstellen kann. Debiasi hat dafür das Clustering-Verfahren auf PRNU-Daten-Basis entwickelt.
Ein großer Vorteil des PRNU-basierten Ansatzes gegenüber anderen Methoden zur Erkennung von gemorphten Fotos bestehe in der Generalisierbarkeit, sagen die Salzburger Forscher. „Unser Verfahren, das ohne Machine Learning und KI auskommt, ist generisch, das heißt, es muss nicht mit vielen gemorphten Beispielbildern trainiert werden, weil es auf die speziellen Bildeigenschaften anspringt. Wenn man ein System trainieren muss, besteht immer das Risiko, dass neu auftauchende Morphing-Attacken nicht erkannt werden.“
Die Salzburger Forscher haben sich noch ein zweites Ziel gesetzt: zu verhindern, dass gemorphte Passbilder überhaupt am Passamt landen. Dafür soll laut Uhl eine geeignete Infrastruktur geschaffen werden, etwa die Möglichkeit zur Verwendung des eigenen Handys mit speziell abgesicherter App zur Erstellung von Passbildern. Ein Antrag Uhls auf eine entsprechende Projektförderung mit französischen Partnern ist beim FWF (Wissenschaftsfonds) in Begutachtung.
Seit der Entwicklung des Verfahrens wurde die Grundidee auf weitere Fragestellungen im Bereich der digitalen Forensik von Gesichtsbildern angewendet, zum Beispiel auf das „Facial Retouching“, also die Erkennung von Nachbearbeitungen von Porträts, meistens zur Verschönerung derselben. Aktuell setzen die Salzburger Forscher die neue Methode zur Erkennung sogenannter Deep Fakes ein, also von manipulierten Videos, in denen (häufig prominente) Personen Dinge tun oder sagen, die sie nie getan oder gesagt haben.
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