Die weißrussische Olympia-Athletin Kristina Timanowskaja ist am frühen Mittwochnachmittag in einer AUA-Maschine am Flughafen Wien-Schwechat gelandet, wo sie unter anderem von Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) in Empfang genommen wurde (Video). Nach wenigen Stunden in Österreich ist sie am Abend mit einer Maschine nach Warschau weitergeflogen. Sie bestieg ein Flugzeug der Fluglinie LOT und landete mit diesem um 20.20 Uhr in der polnischen Hauptstadt. Die 24-jährige Sprinterin, die nach Konflikten mit Sportfunktionären ihres Landes nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren will, hat für Polen ein humanitäres Visum erhalten.
Zuvor hatte das Außenministerium in Wien am Abend den Abflug der Sportlerin bestätigt. Ein Sprecher erklärte, dass die 24-Jährige während ihres Aufenthaltes am Flughafen Wien keinen Asylantrag gestellt habe. Sie habe sich zudem nur im Transitbereich aufgehalten. Auf ihren Weiterflug nach Polen habe sie im VIP-Terminal des Flughafens gewartet, hieß es.
Sie sei „sicher in Warschau gelandet“, schrieb der stellvertretende polnische Außenminister Marcin Przydacz auf Twitter. Noch im Flughafengebäude traf die Sprinterin den weißrussischen Oppositionellen Pawel Latuschka, der ein Bild der beiden auf Twitter veröffentlichte. Dazu schrieb er, die beiden hofften, dass die Herrschaft des weißrussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko bald vorbei sei und Timanowskaja danach „neue sportliche Höhepunkte“ in ihrem Heimatland erreichen könne.
Von heimischen Polizeibeamten geschützt
Während ihres Zwischenaufenthaltes in Österreich wurde die Sportlerin von heimischen Polizeibeamten geschützt. „Für uns ist oberste Priorität, dass Kristina Timanowskaja jetzt in Sicherheit ist. Das ist das Entscheidende“, erklärte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in einer Stellungnahme. Ob die Weißrussin letztlich in Polen, Österreich oder anderswo Schutz finden werde, „wird sich weisen und hängt auch von ihr ab“, so der Minister. Österreich stehe jedenfalls bereit, ihr zu helfen, wiederholte er.
Mehrere Staaten boten Sportlerin Asyl an
Bereits am Vormittag hatte es aus dem Außenministerium geheißen, dass Timanowskaja „selbstverständlich“ auf Unterstützung zählen könne, sollte sie doch in Österreich einen Asylantrag stellen wollen. In den vergangenen Tagen hatten mehrere Staaten angeboten, die Sprinterin aufnehmen zu wollen. Die Sportlerin sei in Österreich „herzlich willkommen und kann auf unsere bestmögliche Unterstützung zählen“. Das Innenministerium in Wien äußerte sich in einer Mitteilung in ähnlichen Worten.
Ursprünglich hatte es geheißen, Timanowskaja werde mit der polnischen Airline LOT aus Tokio nach Warschau fliegen. Konsulatsmitarbeiter hätten ihre Flugroute aber aufgrund von Sicherheitsbedenken geändert, hieß es in der Früh aus Kreisen der weißrussischen Gemeinschaft. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur TASS ist die Entscheidung von der polnischen Botschaft getroffen worden, da auf dem ursprünglichen Flug auch mehrere ausländische Journalisten einen Platz gebucht hätten.
Auch Timanowskajas Ehemann, Arseni Sdanewitsch, soll noch am Mittwoch in Warschau eintreffen, wie eine Organisation der weißrussischen Opposition in Polen mitteilte. Sdanewitsch habe ebenfalls ein humanitäres Visum für Polen erhalten, bestätigte ein Regierungssprecher am Nachmittag.
IOC setzt Disziplinarkommission ein
Das Internationale Olympische Komittee (IOC) hat im Fall Timanowskajas eine Disziplinarkommission eingesetzt. Diese solle die Tatsachen in dem Skandal um die mutmaßlich von weißrussischen Behörden versuchte Entführung der Leichtathletin aus Tokio feststellen, sagte IOC-Sprecher Mark Adams am Mittwoch. Verantworten sollen sich vor allem der Leichtathletik-Cheftrainer von Weißrussland und der stellvertretende Direktor des nationalen Trainingszentrums.
Sprinterin sollte zu Rückkehr gezwungen werden
Timanowskaja hatte am Sonntag erklärt, sie sei nach einer Beschwerde über ihre Trainer zum Flughafen Tokio gebracht worden, um gegen ihren Willen in ihre Heimat zurückgeschickt zu werden. Nach Angaben des weißrussischen Oppositionspolitikers Pawel Latuschko wurde an die österreichischen, deutschen und polnischen Behörden appelliert. „Die erste Rückmeldung haben wir aus Polen bekommen und sie hat sich dazu entschieden, dorthin zu gehen“, hatte Latuschko am Montag in der „ZiB 2“ erklärt.
Der 24-jährigen Sprinterin ging es nach eigenen Angaben nicht um Politik. Sie hatte Kritik in Online-Medien an den weißrussischen Sportfunktionären geübt, weil sie bei den Spielen in Japan ohne Rücksprache mit ihr für das 4x400-Meter-Rennen statt für den 200-Meter-Lauf aufgestellt worden war. Das weißrussische Nationale Olympische Komitee (NOK) erklärte daraufhin, Timanowskaja scheide wegen ihres „emotionalen und psychologischen Zustands“ aus dem Wettbewerb aus.
In Weißrussland regiert seit 1994 Präsident Alexander Lukaschenko, der mit harter Hand gegen Kritiker vorgeht. Laut Amnesty International mussten bereits viele weißrussische Sportlerinnen und Sportler ihre Karriere und ihre Freiheit aufgeben, weil sie sich gegen die Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land aussprachen. Nach Angaben der Belarusian Sport Solidarity Foundation (BSSF) sind bisher 95 Athleten wegen der Teilnahme an friedlichen Protesten inhaftiert worden. Sieben weißrussische Sportler seien aufgrund ihrer friedlichen Regierungskritik wegen politischer Vergehen angeklagt, 35 Athleten und Trainer aus dem Nationalteam ausgeschlossen worden.
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