Über Chatgruppen in der Messenger-App Telegram locken Schlepper junge Menschen aus Ländern des Nahen Ostens im großen Stil nach Litauen: Der EU-Staat registriert derzeit ungewöhnlich viele Einreisen aus Weißrussland, wo die Migranten auf ihrer Reise Richtung Europa Station machen. Litauen vermutet ein organisiertes Netzwerk hinter den Vorgängen und glaubt, den Drahtzieher zu kennen: Weißrusslands Diktator Alexander Lukaschenko.
Seit Jahresbeginn sind 3000 Menschen aus Weißrussland nach Litauen gekommen. Im Vorjahr waren es insgesamt 80. Für die litauische Regierung liegt laut „EU-Observer“ daher der Verdacht nahe, dass Lukaschenko gezielt provoziert und Migranten als politisches Druckmittel nutzt.
Wir haben es mit einem aggressiven Akt des Lukaschenko-Regimes zu tun.
Ylva Johannson, EU-Kommissarin für Inneres
Ylva Johannson, EU-Kommissarin für Inneres: „Wir haben es mit einem aggressiven Akt des Lukaschenko-Regimes zu tun. Es handelt sich um einen Akt der Provokation“. Die Grenzschutzagentur Frontex stockte angesichts der Geschehnisse ihr Personal in Litauen um 100 Beamten, 30 Einsatzfahrzeuge und zwei Hubschrauber auf. Auch das österreichische Innenministerium schickte 13 Cobra-Beamte und ein Panzerfahrzeug.
Organisiert wird die über Minsk laufende Migrationsbewegung im verschlüsselten Chat-Dienst Telegram. Dort gibt es spezifische Gruppen, in denen Migranten aus Syrien und dem Irak in die EU gelockt werden. Die Gruppen haben oft Tausende Mitglieder, Schlepperorganisationen bieten dort ihre Dienste an. Sie versprechen den Migranten, nach der Ankunft in Litauen hätten sie bessere Chancen, in andere EU-Länder wie Österreich, Deutschland oder Italien weiterzureisen.
Die meisten werden zurückgewiesen
Tatsächlich wird ein Großteil der Migranten in die Herkunftsländer zurückgeschickt: Der Großteil der aus Belarus in die EU einreisenden Migranten stammt aus dem Irak, ein Teil aus Syrien. Syrer haben höhere Chancen auf Asyl in der EU als Iraker. In Litauen hat man auch bereits damit begonnen, Migranten zurückzuweisen.
Jeder, der versucht, illegal nach Litauen zu kommen, wird zum nächsten offiziellen Grenzübergang zurückgeschafft.
Litauens Grenzschutz-Chef Rustamas Liubajevas
„Jeder, der versucht, illegal nach Litauen zu kommen, wird zum nächsten offiziellen Grenzübergang zurückgeschafft“, zitiert orf.at den Grenzschutz-Chef Rustamas Liubajevas. Wer nicht Folge leiste, gegen den würden „abschreckende Maßnahmen“ ergriffen. Auch der Bau eines mehr als 100 Millionen Euro teuren Grenzzauns wird mit Hochdruck vorangetrieben.
In den Telegram-Gruppen werden derweil weiter junge Migranten mit der Hoffnung auf ein besseres Leben als politische Waffe instrumentalisiert: Die Schlepper posten Falschmeldungen, um Migranten nach Minsk zu locken, behaupten etwa: „Die EU wartet darauf, dass die Zahl von 10.000 erreicht wird, um sie auf die Länder zu verteilen.“
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