Nobelpreis-Kandidatin:
„Lukaschenko-Regime als Terror-Staat deklarieren!“
Weißrussland, dessen Hauptstadt Minsk ähnlich weit von Wien entfernt ist wie etwa Paris, ist seit einem Jahr im Ausnahmezustand. Nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen hält sich „Europas letzter Diktator“ Alexander Lukaschenko mit allen Mitteln an der Macht. Seine Feinde müssen ins Ausland fliehen, werden entführt oder tot aufgefunden. Waleri und Veronika Zepkalo sind Galionsfiguren der weißrussischen Opposition - Herr Zepkalo hat Lukaschenko bei seinem ersten Wahlkampf 1994 unterstützt und ist 2020 selbst gegen ihn angetreten. Seine Frau Veronika hat die weißrussische Oppositionsbewegung gemeinsam mit Swetlana Tichanowskaja und Maria Kolesnikowa angeführt. Sie ist für den Friedensnobelpreis nominiert. In welchem Zustand die weißrussische Opposition sich derzeit befindet und wie groß die Hoffnung auf einen baldigen Systemumsturz ist, das hat das Ehepaar mit Damita Pressl bei „Nachgefragt“ besprochen.
„Es ist unmöglich, sich in Weißrussland öffentlich politisch zu äußern und frei zu bleiben. Entweder man geht ins Gefängnis oder man verlässt das Land“, erklärt Waleri Zepkalo. Die Erfahrung musste er am eigenen Leib machen: Seine Frau und er mussten aufgrund ihres politischen Engagements fliehen, sind im Vorjahr fünfmal umgezogen. „Dieses Jahr war kein einfaches für unsere Familie“, sagt Veronika Zepkalo. „Aber wenn wir an die Leute denken, die hinter Gittern sind, gibt uns das Kraft, weiterzukämpfen. Wie wissen, dass unser Leben und unsere Zukunft Weißrussland gehören.“
Bei allem Zukunftsoptimismus steht es derzeit aber schlecht. Die Zwangslandung eines kommerziellen Flugs von Athen nach Vilnius, um einen oppositionellen Blogger und dessen Freundin zu verhaften, hatte die Welt erschüttert. Anfang der Woche dann der grausige Fund in einem Wald in Kiew: die Leiche eines in die Ukraine geflüchteten Weißrussen, erhängt auf einem Baum. Inzwischen muss eine weißrussische Sportlerin in Europa um Asyl ansuchen. Ihr einziges Vergehen: nicht in einer olympischen Disziplin antreten zu wollen, für die sie nicht trainiert hatte. Veronika Zepkalo findet klare Worte: „Das Lukaschenko-Regime hat alle Merkmale eines Terror-Staats. Flüge entführen, Menschen in Weißrussland ohne Konsequenzen ermorden, Menschen außerhalb Weißrusslands ermorden, Bürger aus dem Land drängen, uns zur Flucht zwingen - das sind alles Zeichen eines terroristischen Staats und einer terroristischen Regierung. Daher bitten wir europäische Länder und Österreich, das Regime öffentlich als ein terroristisches zu deklarieren.“
Waleri Zepkalo ist dennoch hoffnungsvoll. „Die Tatsache, dass man keine großen Demonstrationen sieht, heißt nichts. Die weißrussische Gesellschaft ist momentan wie ein Druckkochtopf, wo der Dampf gerade aus den Ventilen strömt. Diese Regierung und das Regime lassen den Dampf nicht aus dem Topf, aber das Wasser kocht weiter. Eines Tages wird das explodieren.“ Er spricht von drei Säulen, auf die sich die Opposition derzeit konzentriert: die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Arbeitern, das Vorbereiten weiterer Massenproteste, und der finanzielle Aspekt. „Wenn Lukaschenko befiehlt, Waffen gegen sein eigenes Volk zu verwenden - da sammeln wir gerade Geld für jene in seinem innersten Kreis, die ihn verhaften würden, falls er illegale Befehle gibt. Wir konnten bisher rund 300.000 Euro sammeln, diese wollen wir als Belohnung verwenden, wie das auch in anderen Ländern üblich ist. Geld, das an Menschen geht, die helfen, einen Kriminellen zu überführen.“ Bis es soweit ist, ist Zepkalo sicher, ist es nur noch eine Frage der Zeit.
Inzwischen appellieren die beiden an den Westen. „Die westlichen Staatschefs erinnern mich gerade an Neville Chamberlain vor dem Zweiten Weltkrieg. Sie versuchen, einen Wahnsinnigen zu beschwichtigen. Wenn der Westen stärker reagiert hätte und sofort gesehen hätte, dass Gefahr im Verzug ist, hätten wir den Zweiten Weltkrieg vielleicht vermeiden können oder das Ausmaß wäre viel geringer gewesen. Da sind wir jetzt: Der Westen muss handeln, aktiv und einschneidend, und sich nicht nur auf Sanktionen und juristische Instrumente beschränken. Wenn der politische Wille da wäre, wäre dieses Regime sofort am Ende.“ Von den Abermillionen, die diverse westliche Länder der weißrussischen Opposition zugesagt haben, hätten sie noch keinen Cent gesehen, erzählen die Zepkalos hinter der Kamera. „Das Regime verwendet das gegen uns. Sie sagen dann: ‚Habt ihr denn dieses Geld gesehen, liebes Volk? Nein! Die Oppositionellen leben damit im Ausland in Saus und Braus!‘ Wenn man uns nicht finanziell unterstützen will, dann soll man solche Versprechen nicht abgeben.“
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