Daten sind Wissen, Wissen ist Macht: Immer mehr Firmen setzen auf Profiling, um Profite zu maximieren. Datenschützer sind alarmiert.
Amazon hat gegenüber stationären Händlern einen Wettbewerbsvorteil: Der E-Commerce-Gigant erfasst lückenlos, was die Kundschaft ansieht oder kauft. Sogar beim Offline-Einkauf im kassenlosen Amazon-Go-Supermarkt in den USA - siehe Video - sammelt Amazon Daten, protokolliert jeden Einkauf mit Sensoren und Kameras mit künstlicher Intelligenz.
Ob im Internet oder im Geschäft - alle tun es
Mit statistischen Methoden werden diese Daten ausgewertet, die Kunden kategorisiert: Wie viel Kaufkraft hat der Kunde, welche Ware wünscht er sich, was will er nächstes Jahr kaufen? Profiling ermöglicht Prognosen - und personalisierte Reklame, mit der das Produkt an den Mann gebracht wird. Auch das Sortiment lässt sich mit dem Profiling-Wissen optimieren, maßgeschneiderte Rabattaktionen werden möglich.
In der Welt der Internetkonzerne ist Profiling Alltag: Online-Shops tun es. Streamingdienste analysieren Seh- und Hörgewohnheiten, um passende Empfehlungen zu präsentieren. Facebook analysiert unser Treiben im Netz, um Freunde vorzuschlagen oder - umstrittene wie lukrative - personalisierte Werbung zu schalten. Und die „alte“ Wirtschaft? Die betreibt Profiling auf Umwegen.
Kundenkarten helfen beim Offline-Profiling
Mit Kundenkarten und Rabattklub-Mitgliedschaften zum Beispiel, was dem Jö Bonus Club Ärger mit der Datenschutzbehörde eingebracht hat. Wer sich an der Kassa ausweist, gibt stationären Händlern die wertvollen Daten in die Hand, die ihre Online-Rivalen ohne Umweg sammeln. Schließen sich mehrere Unternehmen zu einem Rabattklub zusammen, profitieren alle von den Daten.
Offen bleibt, wer stärker von dieser Praxis profitiert: der Kunde oder das Unternehmen? Sind die Rabatte die Datensammelei wert?
Das muss jeder für sich beantworten. Datenschützer verneinen: Wenn die Daten von einem Unternehmen zum nächsten fließen, drohe Missbrauch. Wenn die Bank oder die Versicherung wissen, dass der Wocheneinkauf stets eine Flasche Schnaps umfasst, könnte der Lebenswandel des Kunden in die Kalkulation einbezogen werden. Das wäre für den Betroffenen unvorteilhaft.
Solche Kundenbindungsprogramme gibt es nur, weil die Anbieter davon profitieren.
Walter Hager, VKI
Die Rabatte sollen derlei Risken aufwiegen. Allerdings warnte Walter Hager vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) schon vor zwei Jahren: „Solche Kundenbindungsprogramme gibt es nur, weil die Anbieter davon profitieren.“
Bei Prozenten verzichten viele auf Preisvergleich
Vergünstigungen seien seitens des Unternehmens im Preis längst eingeplant. Außerdem wirke Rabatt verkaufsfördernd: Bei großzügigen Prozenten verzichte der Konsument oft auf den Preisvergleich, der vielleicht bessere Deals offenbaren würde.
Den als Reaktion auf den rivalisierenden Rabattklub Payback (DM, BP, Fressnapf) lancierten Jö Bonus Club sieht der VKI jedenfalls kritisch. Fest stehe, dass die Daten irgendwo zusammenlaufen. „Und man weiß nicht genau, was mit ihnen passiert.“
Datenschützer im Interview: „Bargeld statt Kreditkarte!“
Der Informatiker und Datenschutzexperte Thomas Lohninger empfiehlt: Wehren Sie sich! Datenschützer haben dem Jö Club den Negativpreis „Big Brother Award“ verliehen. Lohninger, Geschäftsführer des Datenschutzvereins epicenter.works, erklärt, warum.
Welche Nachteile drohen durch Profiling?
Kundenkarten funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip: Man bezahlt Rabatte mit seinen Daten, erlaubt Geschäften, das Verhalten vorherzusagen. In den USA gab es einen Fall, da erhielt eine Frau Werbung für Schwangere, wusste selbst aber noch gar nicht, dass sie schwanger war. Das zeigt, wie tief solche Daten blicken lassen. Bei uns wollte das AMS auf Profiling setzen, um zu entscheiden, ob sich eine Investition in eine Person lohnt.
Was sagen Sie zur Strafe für den Jö Bonus Club?
Wir sind froh über diese Entscheidung und gratulieren der Datenschutzbehörde. Uns war klar, dass das illegal war. Dass die Entscheidung so lang gedauert hat, liegt daran, dass die Behörde unterfinanziert ist.
Wo gibt es noch Profiling?
Bei Online-Diensten wie Amazon, Google oder YouTube. Oft werden User auch auf anderen Websites verfolgt, um Profile zu generieren, etwa zur politischen Einstellung. Facebook erstellt sogar für Personen, die nicht Mitglied sind, Schattenprofile. Wir müssen uns fragen, ob wir das wollen.
Was tut man dagegen?
Man muss wehrhaft sein, kann sich an die Datenschutzbehörde oder den Verein noyb.eu von Max Schrems wenden. Man kann Datenauskunft verlangen. Privat sollte man auf Datensparsamkeit setzen: Bargeld statt Kartenzahlung, nicht in jedes Formular die korrekten Daten eintragen. Wer Signal statt WhatsApp nutzt, macht es Facebook schwerer.
Dem Jö Bonus Club, einem Kundenbindungsprogramm des Rewe-Konzerns, an dem sich auch zahlreiche Partner wie Allianz, BAWAG, Libro, OMV oder Verbund beteiligen, drohen bis zu zwei Millionen Euro Datenschutzstrafe. Die zuständige Behörde ortet Verletzungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), weil ein Teil der mehr als vier Millionen Mitglieder nicht adäquat über die automatisierte Analyse persönlicher Daten informiert worden sei. Mit den Daten aus dem Vorteilsclub-Programm sei es zum Beispiel möglich, Verhaltensmuster einzelner Konsumenten nachzuvollziehen und diese Kenntnisse dann für zielgerichtete Reklame zu verwenden. Auf der Website zum Jö Bonus Club werde man beim Anmeldevorgang lediglich im Kleingedruckten darauf hingewiesen. Beim Betreiber des 2019 gestarteten Jö Bonus Club sieht man das anders und will Berufung einlegen. Das Profiling hat man für viele Kunden - 80 Prozent haben zugestimmt - trotzdem vorerst gestoppt, wodurch diese auch um etwaige Rabatte umfallen. Mario Rauch aus dem Management des Jö Bonus Club: „Auch das hängt an der Profilierung, die haben wir bei den Betroffenen gestoppt. Wir setzen das bis zur Klärung auf Hold.“ Betroffen sind 2,2 bis 2,3 Millionen Mitglieder, die von Mai 2019 bis Februar 2020 der Verarbeitung ihrer Daten zugestimmt haben. Beim Jö Bonus Club ist man sich „recht sicher“, dass die Strafe abgewendet werden kann. Die DSGVO sei ein wichtiges Gesetz, die Jö-Club-Mitglieder hätten aber jederzeit die Möglichkeit gehabt, das Profiling zu unterbinden.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.