Bahnt sich zwischen der ÖVP und den Grünen ein neuer Koalitionszwist an? Während sich die ÖVP-geführten Ministerien Innen und Außen gegen eine Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan aussprechen, äußert sich der Koalitionspartner völlig konträr. Die Frage, ob Abschiebungen nach Afghanistan noch vertretbar sind, stelle sich laut der außenpolitischen Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, gar nicht mehr. Aktuell eskaliere die Gewalt, deshalb müsse man sich vielmehr mit Fragen wie: „Wo finden die Flüchtenden eine rasche Zuflucht und wie können weitere Tote vermieden werden?“ befassen, fordert Dziedzic.
Wer an Abschiebungen festhält, verweigere laut der grünen Sprecherin die Realität, denn schließlich würde die afghanische Regierung keine Landeerlaubnis mehr vergeben. Vielmehr sei es nun notwendig, sich zu überlegen, wie man akut der Zivilbevölkerung helfen könne. Ernst-Dziedzic fordert daher einen „Sicherheitsgipfel“.
Taliban brachten weite Teile Afghanistans unter ihre Kontrolle
Zuletzt hatte sich die Sicherheitslage in Afghanistan zugespitzt. Seit Beginn des Komplett-Abzugs der internationalen Truppen Anfang Mai haben die militant-islamistischen Taliban weite Teile des Landes, vor allem im ländlichen Raum, unter ihre Kontrolle gebracht. In den vergangenen Tagen verlagerten sich die Gefechte zunehmend auf Städte.
Botschafterin ins Außenamt zitiert
Ernst-Dziedzic stellt sich auch klar auf die Seite der afghanischen Botschafterin in Wien, Manizha Bakhtari, die Freitagfrüh in einem Radiointerview einen verlängerten Abschiebestopp für abgewiesene afghanische Asylwerber in Europa forderte. Daraufhin wurde sie ins Außenministerium zitiert. Man sei „überrascht“ über die Aussagen Bakhtaris, „nachdem es erst vergangene Woche anderslautende Signale gegeben hatte“, teilte das Außenamt Freitagvormittag mit.
Das Gespräch sei aber konstruktiv verlaufen, wurde danach betont. Die Botschafterin habe erneut ersucht, dass Europa die Sicherheitslage in Afghanistan laufend re-evaluiere. Zugleich habe sie betont, dass Afghanistan weiterhin zu allen Vereinbarungen stehe, was auch die Rückübernahme eigener Staatsbürger mit einschließe, so eine Sprecherin des Außenministeriums. Eine Aussetzung von Abschiebungen stehe aber nicht zur Debatte.
„Appell der Botschafterin muss man ernstnehmen“
Den Appell der Botschafterin müsse man ernstnehmen, schrieb dagegen Ernst-Dziedzic am Freitagnachmittag auf Facebook.
Innenministerium: „Kein Abschiebestopp geplant“
„Vonseiten Österreichs ist kein Abschiebestopp nach Afghanistan geplant“, hieß es bereits am Donnerstag aus dem Innenministerium. Österreich habe dies auch in einem aktuellen gemeinsamen Schreiben von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) mit den Innenministern Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Griechenlands und den Niederlanden an die Europäische Kommission festgehalten.
Ein für Dienstagabend geplanter Abschiebeflug von München nach Afghanistan, an dessen Bord auch zwei aus Österreich abzuschiebende Afghanen hätten sein sollen, war am Dienstag kurzfristig abgesagt worden, soll jedoch „zeitnah“ nachgeholt werden, hieß es aus Berlin. Grund für die Absage soll die Gewalteskalation in Kabul bzw. eine fehlende Landegenehmigung gewesen sein.
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