Vier Afghanen stehen unter dem Verdacht, eine 13-Jährige unter Drogen gesetzt und vergewaltigt zu haben - bis sie starb. Einer von ihnen will der Freund des Opfers gewesen sein. In der „Krone“ spricht jetzt seine Mutter.
Die Frau, die nun in einem Wiener Gastgarten sitzt, wirkt verstört. Sie spricht kaum Deutsch, einer ihrer Schwiegersöhne ist zum „Krone“-Interview mitgekommen, um zu dolmetschen. „Ich will Leonies Eltern mein tiefstes Beileid ausdrücken“, lässt sie ihn gleich erklären, und dass ihre jüngste Tochter genauso alt wie das Opfer sei.
Die Frau, sie ist nicht nur die Mutter eines 13-jährigen Mädchens, sondern auch von Ali H. – einem jener vier Afghanen, die Leonie in der Nacht auf den 26. Juni in einer Wohnung in Wien-Donaustadt unter schwere Drogen gesetzt und vergewaltigt haben sollen, immer und immer wieder.
Die Schülerin wurde danach auf einem Grünstreifen abgelegt. Um etwa 6.30 Uhr alarmierten eine Passantin und Ali H. beinahe zeitgleich die Rettung. Die Einsatzkräfte konnten nur noch Leonies Tod feststellen.
Widersprüchliche Aussagen
„Ali hat ihr nichts Böses angetan. Denn er hat sie doch geliebt“, schluchzt die 50-Jährige: „Und ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass mein Bub vor der Kripo die Wahrheit gesagt hat.“
Ali H. im Verhör: „Seit Mai waren Leonie und ich ein Paar. Vor dem Drama haben wir uns – wieder einmal – auf der Donauinsel getroffen, dort eine Flasche Whiskey getrunken und einen Joint geraucht. Danach fuhren wir in die Wohnung eines Freundes. Er und ein anderer Kumpel waren im Wohnzimmer, während meine Freundin und ich in der Küche Sex hatten. Danach gingen wir zu den beiden. Einer von ihnen gab uns Drinks, wie ich jetzt weiß, war darin Ecstasy. Nach wenigen Schlucken wurde ich ohnmächtig. Als ich aufwachte, lag Leonie am Boden. Und dann wurde sie weggetragen.“ Einen dritten Afghanen will Ali H. nicht am Tatort gesehen haben; er bestreitet – den Angaben seiner mutmaßlichen Komplizen widersprechend –, an den Missbrauchshandlungen beteiligt gewesen zu sein.
„Er ist ein guter Mensch“
Frau H., denken Sie nicht, dass Ihr Sohn möglicherweise lügt? „Nein. Denn er ist ein guter Mensch.“ Und die Frau beginnt zu erzählen, über ihr Leben früher, in einer Stadt im Norden Afghanistans: „Mit 16 habe ich geheiratet, mit 18, kurz nach der Matura, meine erste Tochter bekommen.“ Und später noch weitere drei Mädchen und zwei Söhne.
Er vegetierte in Auffanglagern dahin.
Die Mutter über die Flucht aus Afghanistan
Ali H. behauptet, er sei 16 Jahre alt. Laut eines gerichtsmedizinischen Gutachtens soll er mindestens 19 sein. „Ich bin seine Mutter, ich weiß genau, wann er zur Welt gekommen ist: am 20. Dezember 2004, um elf Uhr vormittags. Seine Geburtsurkunde belegt das.“
Die Mutter habe das Dokument mitgenommen, als sie mit ihrer Familie 2016 aus ihrer Heimat geflüchtet sei: „Mein Mann war Sicherheits-Chef am Flughafen, ich Lehrerin. Wir sind beide westlich eingestellt, deshalb hatten wir und unsere Kinder laufend mehr Probleme mit den Taliban.“
„Mein Bub lebte lange in Auffanglagern“
Schlepper hätten sie alle zunächst in die Türkei gebracht, „von dort aus wurden wir – teilweise voneinander getrennt – in andere Länder überstellt“. Ali, angeblich alleine, in die Slowakei: „Damals war er zwölf.“ Weitere Stationen von ihm seien Tschechien und Rumänien gewesen. „Er vegetierte in Auffanglagern dahin. Bis er im vergangenen April endlich zu mir durfte. In meine 18-Quadratmeter-Wohnung in Wien.“
Die Frau lebt seit 2019 hier, die älteste Tochter bereits seit Längerem, „sie ist verheiratet und hat zwei Kinder“; der Rest der Familie kam nach und nach in Österreich an, „vor einem Monat schließlich mein Mann“.
Zurück zu Ali: Hatte er sich während der vielen Jahre, die ihn seine Mutter nicht gesehen hatte, verändert? „Ja, schon. Ich merkte ihm an, dass ihm Schlimmes widerfahren sein musste. Doch er wollte nicht darüber reden. Überhaupt, aus einem lustigen, aufgeweckten Buben war ein stiller, in sich gekehrter Bursch geworden.“
Ich ahnte, dass Ali in schlechten Kreisen verkehrte.
Ali H.s Mutter
„Er kam manchmal erst spät heim“
Was waren seine Pläne? „Er hätte demnächst einen Deutschkurs beginnen sollen, danach wollte er ein Gymnasium besuchen und später Jus studieren. Um Anwalt zu werden.“ Wie verbrachte Ali seine viele freie Zeit? „Er ging häufig spazieren, kam manchmal erst spät heim. Etwa eine Woche vor der Tragödie war er eine ganze Nacht hindurch ausgeblieben, ich hatte in meiner Sorge um ihn eine Vermisstenanzeige bei der Polizei gemacht.“
„Und ja“, sagt die 50-Jährige auch: „Ich ahnte, dass Ali in schlechten Kreisen verkehrte. Er war für mich eben unkontrollierbar geworden.“ Froh sei die Mutter daher gewesen, als ihr Sohn ihr Anfang Juni auf seinem Mobiltelefon Fotos gezeigt habe, „von einem hübschen, seriös wirkenden Mädchen“. „Das ist Leonie. Ich bin fix mit ihr zusammen. Sie ist 17 Jahre alt“, soll Ali ihr erklärt haben. „Ich wollte sie kennenlernen. Es kam leider nicht dazu. Aber sie war mitunter bei uns daheim, wenn ich auswärts war.“
Leonies beste Freundin sagte in Vernehmungen aus, dass sie und die 13-Jährige ein paar Mal Ali H. – den sie, weil er stets Englisch sprach, „den Engländer“ nannten – getroffen hätten, meist im Prater. Leonie sei mit dem Afghanen in keiner Liebesbeziehung gewesen, sie habe von ihm lediglich günstig Haschisch bezogen und sich oft über ihn lustig gemacht. Dennoch dürfte sie ihn in der Wohnung seiner Mutter besucht haben – denn sie habe von einer dort vergessenen Haarbürste erzählt. Weiters gab Leonies Freundin zu Protokoll, dass Ali H. das spätere Opfer einmal in einer Wiener U-Bahn-Station unsittlich betatscht habe – und es danach zu einem Streit zwischen den beiden gekommen sei.
Frau H., Ihr Sohn hat offenkundig mit Drogen gehandelt und auch selbst welche konsumiert. „Davon wusste ich nichts. Und ich wusste auch lange nichts von den schrecklichen Dingen, die mit Leonie geschehen sind.“
Am 25. Juni, um 18 Uhr, habe Ali die Wohnung seiner Mutter verlassen und versprochen, in zwei Stunden heimzukommen. Doch er blieb die ganze Nacht aus: „Ich rief ihn mehrfach am Handy an.“ Zweimal habe er abgehoben: „Um 2 Uhr, da sagte er, er sei noch mit Freunden unterwegs.“ Kurz vor 7 Uhr meinte er: „Ich bin gleich bei dir.“ Und tatsächlich sei er dann bald nach Hause gekommen. „Er war in einem fürchterlichen körperlichen und psychischen Zustand, wollte nicht reden, nicht essen.“
„Ali wurde nach der Tat bedroht“
Die folgenden Tage sei er weinend im Bett gelegen: „Zwischendurch bekam er Anrufe von Landsleuten. Ich hörte ihre lauten Stimmen durchs Telefon. Er solle schweigen, schrien sie, sonst würde ihm etwas zustoßen.“
Frau H., Sie müssen deswegen doch alarmiert gewesen sein. „Freilich, aber so etwas Entsetzliches hätte ich nicht vermutet.“ Bis jetzt glaubt die 50-Jährige, dass ihr Sohn zu Unrecht in U-Haft sitzt. Die Anklage gegen ihn – und seine drei mutmaßlichen Tatkomplizen – wird wahrscheinlich auf „Vergewaltigung mit Todesfolge“ lauten. Damit droht ihm eine lebenslange Gefängnisstrafe.
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