Träumen Sie von Geistern, wilden Tieren oder Aliens? Und erwachen starr und bewegungsunfähig? Dann leiden Sie vielleicht an einer Schlafparalyse, auch „Hexendrücken“ genannt. Aber es gibt Auswege aus dem Horrortrip.
Jemand Fremder war im Zimmer. Daran hatte Elis keinen Zweifel. Die junge Frau spürte, wie eine kalte Hand sie am Rücken berührte, es war schrecklich. Sie hatte Angst, aber es gab kein Entrinnen. „Ich war wie gelähmt und konnte nicht mal schreien“, erinnert sich die Wienerin an jene Schreckensnacht. „Es ist schwer zu sagen, wie lange dieser Traum dauerte, vielleicht nur eine Minute. Das Schlimme daran war, dass er sich unglaublich echt anfühlte.“
5% aller Erwachsenen leiden an Schlafparalyse
Die in ihrem beruflichen Alltag sehr nüchterne Analytikerin beschreibt ein Phänomen, das sie und viele andere für einen harmlosen Albtraum halten. Dabei ist es weit mehr als das. Elis leidet an einer Schlafparalyse, so wie mindestens 5% aller Erwachsenen. „Bei Jugendlichen sind es sogar 30%. Mit dem Alter wird es besser, aber manchmal bleibt es ein Leben lang. Einige Menschen haben solche Träume mehrmals die Woche, andere nur einmal im Jahr oder noch seltener“, erzählt Schlafforscher Gerhard Klösch von der MedUni Wien.
Das Phänomen ist zwar nicht neu, aber in jedem Fall komplex. Wenn wir schlafen, wechseln REM- und Non-REM-Phasen (Leicht- und Tiefschlaf) einander ab. REM steht für rapid eye movement, unsere Augen bewegen sich bei geschlossenen Lidern also sehr schnell. In diesen Phasen finden die meisten Träume statt. Unser Körper schaltet dann einen Gang höher: Hirnaktivität, Atmung, Puls und Blutdruck steigen fast auf die Werte im Wachzustand.
Nun ist es nicht außergewöhnlich, dass wir in den REM-Phasen auch sehr wilde Träume haben. Damit wir uns beim Träumen nicht selbst verletzen, hat Mutter Natur Vorsorge getroffen: Unsere Skelettmuskulatur wird außer Gefecht gesetzt! Ausnahmen sind Augen, Atmung und Schließmuskel. Um unsere Motorik lahmzulegen, arbeiten zwei Botenstoffe zusammen - Glycin und Gamma-Aminobuttersäure. So weit, so gut.
Kollision von Traumwelt und Wachzustand
Problematisch wird es, wenn es zu einer Kollision von Traumwelt und Wachzustand kommt und die Hormone aus dem Gleichgewicht geraten. Dann kommen gewisse Abläufe aus dem Takt, und es ist so, als würden sich der schlafende Körper und der wache Geist einen bizarren Streit um die Vorherrschaft liefern. Kurz: Anders als bei den sonst üblichen Albträumen ist der Geist hellwach, während der Körper noch schläft. Und da es keinen Gewinner gibt, sind wir Trugbildern hilflos ausgeliefert.
Aus historischen Überlieferungen wissen wir, dass Menschen seit Jahrhunderten darunter leiden - und das quer durch alle Kulturen. Während Asiaten, vor allem Japaner, viel über ihre Albträume reden, sind Europäer verhaltener. Sie schämen sich und haben Sorge, sich lächerlich zu machen oder als schwach dazustehen. „Das ist sehr schade“, sagt Wissenschafter Klösch. „Denn nur wenn wir offen darüber reden, können wir Antworten und Lösungen finden.“ Daher ist es für Forscher wie Klösch nicht einfach, ausreichend Testpersonen für Studien zu finden. „Es gibt auch schon sehr gute Seminare, wo Betroffene Hilfe finden“.
Die Auslöser des Phänomens
Die Gründe für eine Schlafparalyse sind vielfältig. Vor allem Stress kann ein Auslöser sein, aber auch unaufgearbeitete psychische Probleme begünstigen das Phänomen. „Aber es gibt Lösungen“, sagt Gerhard Klösch, „etwa luzides Träumen, also Klarträumen.“ Klarträumen bedeutet, dass wir unsere Träume bewusst steuern und beeinflussen können - und es funktioniert sogar dann, wenn wir uns wie in den eingangs beschriebenen REM-Phasen nicht rühren können.
Kindern fällt das luzide Träumen noch sehr leicht. Sie berichten oft von Schlafzuständen, in denen ihnen das Träumen bewusst ist. Auch haben sie großen Einfluss auf den Verlauf des Traums und können ihre Abenteuer aktiv gestalten. Im Erwachsenenalter nimmt diese Fähigkeit mit der Zeit ab oder geht gar gänzlich verloren. Hier kann mehr Achtsamkeit im Alltag helfen, auch im Traum eine bessere Wahrnehmung zu erlangen.
Eine bekannte Methode, um das luzide Träumen zu üben, ist die MILD-Technik („Mnemonic Induced Lucid Dream“ bzw. „Gedächtnis-induzierter Klartraum“). Die Technik besteht aus fünf Schritten. So sollen wir uns vor dem Einschlafen fest vornehmen, in der Traumphase aufzuwachen und uns an die letzten Träume zu erinnern (mehr dazu auch im Internet unter Klartraum bzw. MILD-Technik).
Eines wird Ihnen dabei aber leider nicht erspart bleiben: Wollen Sie Ihren Albträumen entrinnen, müssen Sie viel üben. Klarträumen ist hartes Training. Elis wird es versuchen - denn sie will nicht noch einmal eine kalte Hand auf ihrem Rücken spüren.
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