Schon in neun Jahren dürfte der Anstieg der globalen Mitteltemperatur 1,5 Grad überschreiten - also just die Grenze, die die Staaten beim Pariser Klimaabkommen maximal erreichen wollten. UN-Generalsekretär Antonio Guterres sparte nicht mit mahnenden Worten und warnte vor nie erreichten Extremwetterereignissen. Der dramatische Trend lässt sich nur noch verlangsamen, wenn man sofort handelt.
Alle sechs Jahre werten Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt die wissenschaftlich relevanten Studien zum Klimawandel aus. Die aktuell veröffentlichte Studie ist nicht nur wesentlich präziser als die vorangegangene, sie wartet auch mit schlechten Nachrichten auf.
Einige Auswirkungen schon „unumkehrbar“
„Die Glocken tönen ohrenbetäubend. Sie müssen das Ende von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen einläuten, bevor diese unsere Erde zerstören“, erklären die Forschenden. Einige Auswirkungen der Erderwärmung wie der Anstieg der Meeresspiegel und das Schmelzen der Gletscher sind laut Weltklimarat IPCC bereits heute „unumkehrbar“.
Selbst bei einer drastischen Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen würden die Meeresspiegel weiter ansteigen und „für tausende Jahre erhöht bleiben“, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Sachstandsbericht des IPCC. Die Meeresspiegel könnten demnach bis zum Jahr 2100 um bis zu einen Meter steigen.
Die Fakten sind alarmierend: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass Episoden mit Starkniederschlägen in den meisten Regionen mit einer weiteren Klimaerwärmung intensiver und häufiger werden“, heißt es. Belegt ist auch, dass der Meeresspiegel weiter ansteigt und das Eis weiter schmilzt. „Sehr wahrscheinlich“ heißt: mit 90 bis 100-prozentiger Sicherheit.
Es bleibt nur noch Schadensbegrenzung
Selbst, wenn es gelingen sollte, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, dürfte der Meeresspiegel Ende des Jahrhunderts um bis zu 62 Zentimeter höher sein als 1995-2014. Klimaneutralität heißt, dass nur noch höchstens so viel Treibhausgas ausgestoßen wird wie Senken aufnehmen können.
„In der Arktis sind Dreiviertel des Meereisvolumens im Sommer schon abgeschmolzen“, sagte Mitautor Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie. „Wir werden es vermutlich nicht mehr verhindern können, dass das Nordpolarmeer bis 2050 im Sommer zumindest in einzelnen Jahre weitgehend eisfrei sein wird.“
Golfstrom droht der Kollaps
Der Weltklimarat nennt auch zwei Horrorentwicklungen, die zwar unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen seien. Zum einen ist das ein Anstieg des Meeresspiegels um zwei Meter bis Ende des Jahrhunderts, je nachdem, wie der Eisschild der Antarktis weiter schmilzt. Zum anderen ist das ein Kollaps des Golfstroms im Atlantik, der schon an Fahrt verloren hat.
Er verteilt kaltes und warmes Wasser im Atlantik und beeinflusst etwa den für Milliarden Menschen wichtigen Monsun in Afrika und Asien. Ein Zusammenbruch des Systems, zu dem auch der Golfstrom gehört, hätte auch Auswirkungen auf Europa.
Pariser Klimaziel rückt in weite Ferne
Die globale Mitteltemperatur liegt nach diesem Bericht für den Zeitraum 2011 bis 2020 knapp 1,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). Laut Pariser Klimaabkommen wollen die Staaten die Erderwärmung unter zwei Grad halten, möglichst bei 1,5 Grad. „Wenn wir die Emissionen nicht schnell genug herunterfahren und bis etwa 2050-2070 netto-null erreicht haben, werden wir beide Pariser Klimaziele verfehlen“, sagte Mitautor Douglas Maraun von der Universität Graz.
Bei gleichbleibenden Emissionen bis 2050 würde die Temperatur Ende dieses Jahrhunderts um 2,1 bis 3,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. In zwei weiteren Szenarien mit mindestens der Verdoppelung der CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts wäre ein Anstieg der Temperatur um bis 5,7 Grad möglich.
China stößt die meisten Schadstoffe aus
Ein Realitätscheck: Die Energie-Agentur der US-Regierung (EIA) hat 2019 berechnet, dass der CO2-Ausstoß wegen der erst beginnenden Industrialisierung vieler Länder bis 2050 von heute im Jahr rund 36 Milliarden Tonnen auf mehr als 42 Milliarden Tonnen wächst. China produziert zurzeit das meiste Treibhausgas, etwa ein Viertel der Gesamtmenge, vor den USA mit 18 und der EU mit 17 Prozent.
Der Anteil der CO2-Emissionen, die in Senken wie Wäldern oder Ozeanen aufgenommen werden und nicht in der Atmosphäre bleiben, liegt nach dem Bericht bei etwa 44 Prozent.
Der Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) ist der erste seit acht Jahren. Er fasst im Auftrag der knapp 200 UN-Staaten die wissenschaftlichen Ergebnisse der vergangenen Jahre zusammen. 2022 soll er noch durch zwei weitere Kapitel ergänzt werden. Der Bericht wurde von mehr als 230 Forschenden aus 66 Ländern verfasst. Die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger wurde von den 195 IPCC-Mitgliedsländern einstimmig abgesegnet.
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