Kampf um Küniglberg

ORF: Ein Favorit, fette Deals und verlorenes Image

Medien
10.08.2021 06:00

Heute wählt der Stiftungsrat einen neuen ORF-Generaldirektor. Die ÖVP kann ihren Kandidaten Roland Weißmann ins Amt heben. Die Grünen ziehen mit - ein glatter Durchmarsch ist vorprogrammiert.

Es erinnert an einen Basar, was sich rund um die Wahl des ORF-Generaldirektors hinter den Kulissen des Küniglbergs abspielt. 35 auf dem Papier „unabhängige“ Stiftungsräte bestimmen heute mit einfacher Mehrheit, wer die nächsten fünf Jahre lang den öffentlich-rechtlichen Rundfunk lenkt. 16 davon sind dem türkisen Lager zuzuschreiben. Die Wahl des bürgerlichen Kandidaten Roland Weißmann, Vizefinanzdirektor des ORF, gilt als ausgemacht.

Der Dreikampf um den Küniglberg dürfte schon vorab zugunsten von Roland Weißmann entschieden sein. (Bild: stock.adobe.com, Krone KREATIV)
Der Dreikampf um den Küniglberg dürfte schon vorab zugunsten von Roland Weißmann entschieden sein.

„Nix is völlig fix“
Aber was, wenn doch einer im Freundeskreis „umkippt“? Für manchen Beobachter scheint „nix is völlig fix“ im verschärft-medialen Getöse rund um unschöne Schlagwörter wie „Orbánisierung“, „Umfärbung“ und „Parteibesetzung“. Und so wurde noch Stunden vor dem um 10 Uhr beginnenden Hearing der fünf Kandidaten telefoniert, ausgelotet, versprochen, gedroht und über künftige zentrale Führungspositionen verhandelt - schließlich will jede Partei letztendlich ja doch am Kuchen mitnaschen, und so hat jede Stimme ihren mehr oder weniger hohen Preis.

Lisa Totzauer hofft, Wrabetz hat verspielt
Bis zum Schluss fraglich, ob das bürgerliche Lager tatsächlich ungeteilt im ersten Wahlgang für Weißmann stimmt. Schließlich ist mit ORF-1-Channelmanagerin Lisa Totzauer eine ebenfalls bürgerliche Kandidatin im Rennen, die u. a. auf Führungserfahrung sowie den nicht unbedeutenden Faktor Frau setzt und in dieser öffentlichen Wahl auf Stimmen hofft.

Roland Weissmann (53), Vize-Finanzdirekto: Nach seinem Publizistikstudium landete er 1995 - ebenso wie Lisa Totzauer - im aktuellen Dienst im Landesstudio Niederösterreich. Seit 2012 ist er „Chefproducer Fernsehen“, seit 2017 zudem Vizefinanzdirektor. Seit 2020 hat Weißmann auch die Projektleitung des ORF-Players inne. (Bild: APA/ORF/THOMAS RAMSTORFER)
Roland Weissmann (53), Vize-Finanzdirekto: Nach seinem Publizistikstudium landete er 1995 - ebenso wie Lisa Totzauer - im aktuellen Dienst im Landesstudio Niederösterreich. Seit 2012 ist er „Chefproducer Fernsehen“, seit 2017 zudem Vizefinanzdirektor. Seit 2020 hat Weißmann auch die Projektleitung des ORF-Players inne.
Lisa Totzauer (50), Channelmanagerin: Die Magistra der Vergleichenden Literaturwissenschaft begann ihre ORF-Karriere 1997 im Aktuellen Dienst des Landesstudios NÖ. Ab 1999 war sie Mitglied der „Zeit im Bild“-Redaktion, später „ZiB“-Sendungsverantwortliche. 2018 wurde Totzauer zur ORF-1-Channelmanagerin bestellt. (Bild: APA/Herbert Neubauer)
Lisa Totzauer (50), Channelmanagerin: Die Magistra der Vergleichenden Literaturwissenschaft begann ihre ORF-Karriere 1997 im Aktuellen Dienst des Landesstudios NÖ. Ab 1999 war sie Mitglied der „Zeit im Bild“-Redaktion, später „ZiB“-Sendungsverantwortliche. 2018 wurde Totzauer zur ORF-1-Channelmanagerin bestellt.
Alexander Wrabetz (61), Generaldirektor: Während seines Jus-Studiums war er u. a. freier Mitarbeiter des ORF Wien. Er war in leitenden Funktionen in staatsnahen Wirtschaftsbetrieben tätig. Von 1998 bis 2006 war er als kaufmännischer ORF-Direktor tätig, im Jahr 2007 übernahm er die Leitung als Generaldirektor. (Bild: APA/Georg Hochmuth)
Alexander Wrabetz (61), Generaldirektor: Während seines Jus-Studiums war er u. a. freier Mitarbeiter des ORF Wien. Er war in leitenden Funktionen in staatsnahen Wirtschaftsbetrieben tätig. Von 1998 bis 2006 war er als kaufmännischer ORF-Direktor tätig, im Jahr 2007 übernahm er die Leitung als Generaldirektor.

Grüne ziehen mit Koalitionspartner mit
Amtsinhaber Alexander Wrabetz hat mit seiner letzten, wiederholten Aussage, „des Kanzlers Medienbeauftragter Gerald Fleischmann bestimmt allein, wer ORF-Chef wird“, jegliche Chance auf Stimmen des Türkis-nahen Lagers verspielt. Die Grünen werden sich diesmal als koalitionstreu erweisen und dafür (Stichwort Kuchen) in Form von zwei Direktoren (Programm und Finanzen) ordentlich mitnaschen dürfen. Die FPÖ wird (ohne Kickl’sche Stallorder) ihre Stimmen aufspalten: u. a. an ORF-Onlinechef Thomas Prantner, der - wie der in das Hearing nachnominierte Medienmanager Harald Thoma - als aussichtslos gilt.

Was aber, wenn es doch am frühen Nachmittag zu einer Stichwahl kommt? Ja dann wird es auf dem Küniglberg-Basar richtig teuer. Denn dann schlägt zwischen den Wahlgängen hinter verschlossenen Nebenraumtüren die Stunde für die richtig fetten „Big Deals“.

Kommentar
Wer auch immer nach all diesen Vor- und Nachverhandlungen ab 1. Jänner 2022 die Medienorgel ORF bespielen wird, das hochgehaltene Image der Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit ist ihr in diesen Wahlkampftagen wieder einmal verloren gegangen.

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