Der britische Prinz Andrew, gegen den in den USA eine Klage wegen mehrfachen Missbrauchs einer Minderjährigen eingereicht wurde, ist am Dienstag gemeinsam mit seiner Ex-Frau Sarah Ferguson nach Balmoral zu seiner Mutter Queen Elizabeth II. gereist. Britische Medien berichten, es könnte ein längerer Aufenthalt werden.
Das Ex-Paar war bereits vor der Klage eingeladen gewesen, die Queen auf Balmoral zu besuchen. Für Sarah Ferguson ist es der erste Besuch in der schottischen Sommerresidenz der Royals seit 25 Jahren. Der verstorbene Prinz Philip soll sie dort nicht haben sehen wollen.
Jetzt steht Ferguson ihrem Ex-Mann Andrew bei, der das britische Königshaus unter der Regentschaft von Königin Elizabeth in eine noch nie dagewesene Krise gestürzt hat. Noch nie zuvor ist ein Mitglied der Königsfamilie verklagt worden und dann auch noch wegen sexueller Nötigung einer jungen Frau, die vom US-Pädophilen Jeffrey Epstein dazu gezwungen worden war, mit seinen prominenten Bekannten zu schlafen. Der Royal-Experte Rupert Bell sagte gegenüber „TalkRadio“, dass so etwas „beispiellos“ sei. Er könne sich an nichts Vergleichbares erinnern.
„Weitere schwierige Situation“
Diese Entwicklung im Fall Prinz Andrew sei „eine weitere schwierige Situation“ für die Queen in einem ohnehin „bereits schwierigen Jahr.“ Wie die Queen die Klage aufgenommen hat, ist unklar. Auch von Prinz Andrew selbst gibt es noch keine Stellungnahme zu der Klage. Spekuliert wird, dass er versuchen könnte, sich außergerichtlich mit der Klägerin zu einigen.
Eingebracht hat die Klage die US-Amerikanerin Virginia Roberts Giuffre vor einem New Yorker Gericht. Sie wirft Prinz Andrew vor, sie missbraucht zu haben, als sie gerade einmal 17 Jahre alt war.
„Ich mache Prinz Andrew für das verantwortlich, was er mir angetan hat“, sagte die 38-Jährige in einer Stellungnahme. Sie verlangt Schadenersatz von dem Royal, der die Vorwürfe seit Jahren zurückweist, sich aber wegen seiner Freundschaft zum mittlerweile gestorbenen Epstein von seinen Aufgaben zurückgezogen hat.
An Andrew zu „sexuellen Zwecken verliehen“
Multimillionär Epstein soll über Jahre hinweg Dutzende minderjährige Mädchen missbraucht und zur Prostitution gezwungen haben. Dabei halfen ihm der Anklage zufolge sowohl Mitarbeiter als auch seine Ex-Partnerin Ghislaine Maxwell, die derzeit in einem New Yorker Gefängnis auf ihren Prozess wartet. Über Maxwell wiederum lernte Epstein auch den Herzog von York kennen, wie Prinz Andrews offizieller Titel lautet. Giuffre wirft Maxwell vor, sie „zur Sexsklavin ausgebildet“ zu haben, was die Epstein-Ex bestreitet.
Die Vorwürfe gegen Andrew - von der britischen Presse wegen seiner Affären einst als „Randy Andy“ (etwa: geiler Andy) verspottet - sind seit Langem bekannt. Nun aber beschäftigen sie auch die Justiz. „In den vergangenen fünf Jahren haben Prinz Andrew und seine Berater jeden Versuch, diese Angelegenheit ohne Rechtsstreit beizulegen, blockiert“, sagte Giuffres Anwalt David Boies dem britischen Sender Sky News. „Es ist längst überfällig, dass er zur Rechenschaft gezogen wird.“
Die Anklage, aus der die Zeitung „Daily Mail“ am Dienstag zitierte, hat es in sich. „Wie andere minderjährige Kinder vor und nach ihr wurde die Klägerin zunächst angeworben, um Epstein Massagen anzubieten und danach eine Vielzahl von sexuellen Handlungen durchzuführen“, heißt dort. Giuffre sei regelmäßig von Epstein missbraucht und von ihm „ausgeliehen“ worden. „Ein solcher mächtiger Mann, an den die Klägerin zu sexuellen Zwecken ausgeliehen wurde, war der Angeklagte Prinz Andrew, der Herzog von York.“
Andrew streitet Vorwürfe ab
Der Bruder von Thronfolger Prinz Charles hat zwar zugesagt, den zuständigen Ermittlungsbehörden helfen zu wollen - vor der New Yorker Staatsanwaltschaft aber trotz aller Anfragen noch nicht als Zeuge ausgesagt. Andrew war mehrfach Übernachtungsgast in Epsteins Anwesen in den USA und der Karibik. Von den Machenschaften seines Freundes und dessen Ex-Partnerin Maxwell will er nichts mitbekommen haben. Epstein nahm sich im Sommer 2019 in einer Zelle das Leben.
Klägerin Giuffre berichtet von drei Fällen, in denen Andrew sie missbraucht habe. Er habe gewusst, dass sie minderjährig gewesen sei, behauptet sie. „Die Mächtigen und Reichen sind nicht davon befreit, für ihre Taten verantwortlich gemacht zu werden“, sagte Giuffre. „Ich hoffe, dass andere Opfer erkennen, dass es möglich ist, nicht in Stille und Angst zu leben, sondern sein Leben zurückzuerobern, indem man sich äußert und Gerechtigkeit fordert.“
Für Andrew und das Königshaus ist der Fall höchst delikat. Nach einem katastrophalen BBC-Interview, mit dem er seinen Ruf wiederherstellen wollte, ließ der Prinz seine royalen Aufgaben vorerst ruhen. Auch seine Beförderung zum Admiral liegt auf Eis. In der Öffentlichkeit ist er seit geraumer Zeit so gut wie gar nicht mehr zu sehen, eine Ausnahme war die Beisetzung seines Vaters Prinz Philip im April.
Für die Royal Family ist es ein schmaler Grat. So erinnerte das Königshaus zwar im Februar an Andrews Geburtstag: „An diesem Tag im Jahr 1960 hat die Queen einen Sohn zur Welt gebracht, das erste Kind seit 1857, das von einer regierenden Monarchin zur Welt gebracht wurde.“ Offizielle Glückwünsche gab es allerdings nicht. Dennoch werfen Kritiker dem Königshaus Doppelmoral vor: Denn der Palast lässt Mobbing-Vorwürfe gegen Herzogin Meghan, Frau von Queen-Enkel Prinz Harry, untersuchen. Im Fall Epstein aber - der immer mehr zu einem Fall Andrew wird - kommt aus dem Palast kein Wort.
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