Allianz bröckelt
Knalleffekt: D und NL setzen Abschiebungen aus
Die Niederlande und Deutschland galten neben Österreich bis zuletzt als Verfechter der Abschiebungen von Geflüchteten nach Afghanistan und hatten eine Fortsetzung verlangt. Nun wird die menschenrechtlich heftig diskutierte Maßnahme in den beiden Ländern ausgesetzt.
Angesichts des Vormarsches der Taliban, die in Afghanistan einen Gottesstaat errichten wollen, setzten die Niederlande Abschiebungen dorthin für die nächsten sechs Monate aus. Nach Schweden, Finnland und Norwegen haben nun bereits fünf Länder Rückführungen in das Krisengebiet gestoppt.
Niederlande: „Lage deutlich verschlechtert“
Die Niederlande erklärten nun, in den kommenden sechs Monaten keine abgewiesenen Asylwerber mehr nach Afghanistan abzuschieben. Durch den Vormarsch der Taliban in dem Land habe sich die Lage deutlich verschlechtert, teilte die zuständige Staatssekretärin im Justizministerium, Ankie Broekers-Knol, am Mittwoch in Den Haag dem Parlament mit. Auch würden in den nächsten zwölf Monaten keine weiteren Entscheidungen über Abschiebungen gefällt.
Das niederländische Außenministerium bewerte die Sicherheitslage neu, teilte die Staatssekretärin mit. Danach solle dann eine endgültige Entscheidung über Abschiebungen getroffen werden.
Von Linie abgerückt
„Der Bundesinnenminister hat aufgrund der aktuellen Entwicklungen der Sicherheitslage entschieden, Abschiebungen nach Afghanistan zunächst auszusetzen“, sagte ein Sprecher des deutschen Innenministeriums am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die beiden Länder hatten noch unlängst gemeinsam mit Österreich eine Fortsetzung der Abschiebungen verlangt.
Österreich bleibt bei Abschiebungen
Österreich bleibt hingegen offenbar dabei. „Ein faktisches Aussetzen von Abschiebungen steht derzeit nicht zur Diskussion“, betonte ein Sprecher des Innenministeriums am Mittwoch. Die Lage in Afghanistan werde gemeinsam mit dem Außenministerium laufend beobachtet und beurteilt.
Österreich hatte vergangene Woche gemeinsam mit Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Belgien und Griechenland die EU in einem Brief zu einer Fortsetzung der Abschiebungen nach Afghanistan gedrängt - trotz des Vormarsches der radikalislamischen Taliban. Diese hatten am Mittwoch die neunte Provinzhauptstadt binnen weniger Tage erobert. Den Taliban werden dabei schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
Grüne loben Entscheidung, Rotes Kreuz appelliert
Die außenpolitische Sprecherin der österreichischen Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, lobte die Entscheidung Deutschlands. „Das sind gute Nachrichten und aufgrund der Sicherheitslage unumgängliche Entscheidungen“, schrieb sie auf Twitter. Angesichts der sich rapide verschlechternden Sicherheits- und humanitären Lage rief das Österreichische Rote Kreuz die österreichische Regierung dazu auf, ihre Haltung zu Abschiebungen in dieses Land zu überdenken.
Allein im Juli habe das Rote Kreuz (IKRK) und sein Partner, die Afghanische Rothalbmondgesellschaft (ARCS), landesweit fast 13.000 Patienten mit Verletzungen durch Waffengewalt geholfen. Diese Zahl werde in diesem Monat wahrscheinlich noch steigen, da die Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten zunehmen.
Rufe nach Abschiebestopp werden lauter
Afghanistan hatte im Juli wegen der Sicherheitslage im Land um einen dreimonatigen Abschiebestopp gebeten und einem für vergangene Woche geplanten Abschiebeflug von München nach Afghanistan, an dessen Bord auch zwei aus Österreich abzuschiebende Afghanen hätten sein sollen, keine Landeerlaubnis erteilt. Zudem hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) - mit Verweis auf die Sicherheitslage in Afghanistan - mittels einstweiliger Verfügung die geplante Abschiebung eines abgelehnten Asylwerbers aus Österreich gestoppt.
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