„Verhalten fahrlässig“

Drogentod mit 13: Familie klagt die Tirol Kliniken

Tirol
12.08.2021 11:00

Am heutigen Donnerstag vor einem Jahr starb eine 13-jährige Tirolerin an einer Drogen-Überdosis - die „Krone“ berichtete. Sie lag tot in einer Telfer Wohnung. Das Strafverfahren gegen den Besitzer wurde eingestellt. Nun will die Familie die Tirol Kliniken zivilrechtlich zur Verantwortung ziehen. Auch die Tirol Kliniken beziehen Stellung zur Causa.

Im Jahre 2006 erblickte Melina (Name von der Redaktion geändert) das Licht der Welt, am 12. August 2020 starb sie an einer Morphin-Benzodiazepin-Vergiftung in Kombination mit einer Lungenentzündung – gerade einmal 13 Jahre jung.

Viermal wurde die 13-Jährige in die Kinder- und Jugendpsychiatrie eingeliefert (Symbolfoto). (Bild: CHOTiGA)
Viermal wurde die 13-Jährige in die Kinder- und Jugendpsychiatrie eingeliefert (Symbolfoto).

Joints, Ecstasy, Drogenersatzmedikamente
Schleichend ist das Mädchen in den Drogensumpf hineingeschlittert. Sie konsumierte Joints, Ecstasy und schließlich spritzte sie sich sogar das Drogenersatzmedikament Subutex in den Arm. Mehrere Überdosen sowie Einweisungen in die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall folgten, dort wurde sie aber nie stationär aufgenommen, weil sie nicht als selbstgefährdend galt.

Eine Suchterkrankung allein ist in Österreich kein Kriterium für eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung. Liegt somit ein illegaler Konsum vor, aber keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung, ist es nicht möglich, den Patienten gegen seinen Willen im geschlossenen Bereich zu behandeln. Zudem basiert prinzipiell jegliche einzelne Therapieform auf freiwilliger Basis.

(Bild: EXPA/ Johann Groder)

Strafverfahren gegen Tiroler wurde eingestellt
Tot aufgefunden wurde Melina am 12. August 2020 in der Früh in einer Telfer Wohnung, in der ein Vater-Sohn-Gespann wohnt. Da sie in den Sohn verliebt war, hielt sie sich dort bereits mehrfach auf. Gegen den Vater, der das Mädchen stark beeinträchtigt in die Wohnung gelassen hatte und seit sechs Jahren mit Drogenersatzmedikamenten substituiert wird, wurde wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Doch das Strafverfahren wurde eingestellt, der Antrag auf Fortsetzung abgelehnt. „Es gibt keinen Nachweis, dass das im Körper der Verstorbenen gefundene Morphin von Tabletten des Beschuldigten stammt. Ihm ist eine Straftat nicht nachweisbar“, so die Staatsanwaltschaft Innsbruck.

„Familie geht es bei der Klage nicht ums Geld“
Strafrechtlich konnte somit – auch aus Beweisgründen – niemand zur Verantwortung gezogen werden. Zivilrechtlich stehen die Chancen laut Markus Abwerzger, Rechtsanwalt der Familie, hingegen gut. Der Kindesvater hat nun Klage gegen die Tirol Kliniken, insbesondere die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall, eingebracht.

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Der Familie geht es nicht um das Geld, sondern sie möchte einfach nur sämtliche Maßnahmen ergreifen, um aufzuzeigen, dass die Drogenproblematik in Tirol deutlich schlimmer ist als gedacht.

Rechtsanwalt Markus Abwerzger

Er fordert Trauerschmerzensgeld in der Höhe von insgesamt 20.000 Euro. „Der Familie geht es hierbei in keinster Weise um das Geld oder darum, einen Beschuldigten zu finden, sondern sie möchte einfach nur sämtliche Maßnahmen ergreifen, um aufzuzeigen, dass die Drogenproblematik in Tirol deutlich schlimmer ist als von vielen angenommen und dass vor allem sehr junge Menschen, ja sogar Kinder, davon betroffen sind“, betont Abwerzger.

Die 13-Jährige konsumierte mitunter Joints, Ecstasy und Drogenersatzmittel (Symbolfoto). (Bild: REINHARD HOLL)
Die 13-Jährige konsumierte mitunter Joints, Ecstasy und Drogenersatzmittel (Symbolfoto).

„Das ist ein grob-fahrlässiges Verhalten“
Der Rechtsanwalt definiert eine Reihe von Argumenten, auf denen diese Klage basiert: „Die junge Tirolerin war insgesamt viermal wegen einer Überdosis in der geschlossenen Abteilung der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall aufhältig - im April, im Mai, im Juli und zuletzt eine Woche vor ihrem Drogentod. Jedes Mal wurde angegeben, dass sie nicht selbstgefährdend sei, was anhand der vorhandenen Dokumentation einfach nicht stimmt. Und jedes Mal wurde sie wieder entlassen, anstatt, dass sie stationär aufgenommen wurde. Man hat hier weder auf die zuständigen Sozialarbeiter noch auf die Eltern gehört. Das ist ein grob-fahrlässiges Handeln“, sagt Abwerzger weiter.

Er kommt zum folgenden Entschluss: „Der Tod der Minderjährigen hätte durchaus verhindert werden können, wenn sie stationär aufgenommen worden wäre. Denn das ist bei Selbstgefährdung bekanntlich auch gegen den eigenen Willen möglich.“ Außerdem sei die Annahme, dass eine unmündige Minderjährige, die durch Drogen schwerst beeinträchtigt ist, selbst entscheiden kann, was für sie gut oder schlecht ist, schlichtweg „verfehlt“. Hier benötige es prinzipiell ganz dringend ein Umdenken.

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Das Schicksal des jungen Mädchens geht uns allen nahe. Wegen der laufenden rechtlichen Auseinandersetzung können wir uns derzeit aber leider nicht über den tragischen Fall äußern.

Johannes Schwamberger, Leiter PR und Kommunikation

Wir können uns derzeit zur Causa nicht äußern
Die Tirol Kliniken melden sich kurz und bündig zu Wort. „Das Schicksal des jungen Mädchens geht uns allen nahe. Wegen der laufenden rechtlichen Auseinandersetzung können wir uns derzeit aber leider nicht über den tragischen Fall äußern“, schildert Johannes Schwamberger, Leiter PR und Kommunikation.

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