Erdogan will Gespräche
Taliban stehen 150 Kilometer vor Toren Kabuls
Mit Ghazni haben die radikalislamischen Taliban bereits die zehnte afghanische Provinzhauptstadt erobert und stehen damit nur 150 Kilometer vor den Toren der Hauptstadt Kabul. „Die Taliban haben die Kontrolle über die wichtigsten Bereiche der Stadt erlangt“, sagte der Vorsitzende des Provinzrates, Nassir Ahmed Fakiri, am Donnerstag. „Die jüngsten Entwicklungen und die Lage der afghanischen Bevölkerung sind wirklich sehr beunruhigend“, hielt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fest. Er will nun mit der Führung der Taliban über eine Deeskalation beraten.
„Vielleicht werde ich sogar in der Lage sein, die Person zu treffen, die ihr Anführer ist", sagte Erdogan, der bereits zuvor angekündigt hatte, Gespräche mit den Taliban über die Sicherung des Kabuler Flughafens zu führen. Die Türkei hatte sich grundsätzlich bereit erklärt, den internationalen Flughafen nach dem vollständigen Abzug der internationalen Truppen aus dem Land abzusichern, fordert aber diplomatische, finanzielle und logistische Unterstützung der USA.
Dem Vernehmen nach fiel bei der Eroberung Ghaznis wie schon häufig zuvor kein einziger Schuss. Der Stadtführung sei sicheres Geleit versichert worden, hieß es in sozialen Medien. Die strategisch wichtige Stadt liegt an einer zentralen Verbindungsstraße zwischen Kabul und Kandahar. Die afghanischen Streitkräfte sind zunehmend von Verstärkung über den Landweg abgeschnitten. Mit dem Verlust von Ghazni dürfte der Druck auf die ohnehin überlastete Luftwaffe wachsen.
China als „vertrauenswürdiger Freund“
Einen Schritt weiter ist da schon China, wo vor zwei Wochen eine Delegation der Taliban zu Besuch war. Dabei wurde seitens der Afghanen versichert, dass von ihnen keine Gefahr für andere Länder ausgehe. Chinas Außenminister Wang Yi sagte im Gegenzug, dass sich China nicht in die inneren Angelegenheiten Afghanistans einmischen wolle und eine freundliche Politik gegenüber dem afghanischen Volk anstrebe.
Nach dem „hastigen Abzug“ der US-Truppen und anderer NATO-Verbündeter sehe sich das afghanische Volk mit neuen Möglichkeiten konfrontiert, die Entwicklung der Nation selbst in die Hand zu nehmen. Taliban-Führer Baradar habe der chinesischen Seite seine Anerkennung ausgedrückt und China als „vertrauenswürdigen Freund“ bezeichnet, hieß es weiter aus Peking.
Deutschland droht mit Stopp der finanziellen Unterstützung
Deutschland droht Afghanistan bereits mit einem Stopp der finanziellen Unterstützung, sollten die Taliban dort ein Kalifat errichten. „Wir geben jedes Jahr 430 Millionen Euro. Wir werden keinen Cent mehr nach Afghanistan geben, wenn die Taliban dieses Land komplett übernommen haben, die Scharia einführen und dieses Land ein Kalifat wird“, sagte Außenminister Heiko Maas am Donnerstag. Ohne internationale Hilfe sei Afghanistan aber nicht lebensfähig. Den Taliban sei klar, dass sie darauf angewiesen seien.
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