Angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Lage in Afghanistan prüft das Außenministerium nun, wie viele Österreicher sich noch in dem Krisenstaat befinden. Derzeit gehe man von einer „sehr niedrigen Zahl im zweistelligen Bereich“ aus, wie eine Sprecherin erklärte. Indes fordert Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer das Ende von Abschiebungen in die „Hölle auf Erden“. Die Bundesregierung bekräftigte am Freitag jedoch ihre Linie, daran festzuhalten.
Trotz der schweren Kämpfe und des Vormarschs der radikal-islamischen Taliban hält Österreich im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten an Abschiebungen nach Afghanistan weiter fest. Grundsätzlich habe sich an der Linie des Innenministeriums dazu „keine Änderung ergeben“, teilte das Ministerium Freitagmittag mit.
Was passiert, wenn Kabul fällt?
Offen ließ das Innenministerium die Frage, ob Österreich auch dann bei seiner Haltung bleiben würde, wenn die Hauptstadt Kabul in die Hände der Taliban fallen sollte, wie das von Beobachtern erwartet wird. „Die Sicherheitslage in Afghanistan wird gemeinsam mit dem Außenministerium laufend beobachtet und beurteilt“, hieß es dazu in einer schriftlichen Stellungnahme. Und weiter: „Jeder Staat entscheidet für sich.“
Das Außenministerium in Wien weiß aktuell von insgesamt zwei österreichischen Staatsbürgern, die sich derzeit in Afghanistan aufhalten. Das teilte eine Ministeriumssprecherin am Freitagabend der APA mit. Bei den beiden Österreichern handle es sich um reiseregistrierte Personen, und man versuche, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Auslandsösterreicher, also längerfristig dort lebende Österreicher, halten sich nach Wissen des Außenministeriums keine mehr in Afghanistan auf.
Keine konsularische Hilfestellung geboten
Sie verwies auch darauf, dass seit „Jahrzehnten“ eine Reisewarnung der Stufe 6 von österreichischer Seite für Afghanistan bestehe. Auf der Homepage rät das Außenministerium in Wien den im Land lebenden „Auslandsösterreichern und Österreichern, die sich aus anderen Gründen in Afghanistan aufhalten“, „dringend“ das Land zu verlassen.
„In Not geratenen Österreichern kann, solange sie sich auf afghanischem Staatsgebiet befinden, keine unmittelbare konsularische Hilfestellung geleistet werden“, heißt es weiter. Die nächste Anlaufstelle befindet sich in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad.
Rotes Kreuz erinnert an Menschenrechtskonvention
Für Rotkreuz-Präsident Schöpfer sind die Entwicklungen in Afghanistan alarmierend. Er forderte daher die österreichische Regierung auf, dem Beispiel anderer EU-Staaten zu folgen und die Abschiebungen nach Afghanistan zu beenden. „Rotkreuz-Vertreter vor Ort und Vertreter des Roten Halbmondes sagen übereinstimmend, das ist die Hölle auf Erden“, sagte Schöpfer am Freitag im Ö1-„Morgenjournal“.
„Grausame Situation“ vor Ort
Er erinnert daran, dass Österreich „in Schönwetterzeiten“ diverse Konventionen zum Schutz der Menschenrechte unterzeichnet habe. „Ich wünsche mir schon Politiker, die den aufrechten Gang üben. Die den Rechtsstaat, die Verpflichtungen, die Österreich in guten Zeiten eingegangen ist, auch in Zeiten, wo es nicht populär ist, einhalten“, forderte Schöpfer in Richtung ÖVP. In Afghanistan herrsche durch den Vormarsch der islamistischen Taliban „eine grausame Situation, wo es nicht human wäre, Menschen hinzuschicken“.
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