Bis zur Veröffentlichung dauert es noch Monate, Valves Steam Deck ist bei PC-Spielern aber längst in aller Munde. Der Linux-betriebene Gaming-PC im Format einer Mobilkonsole ist bis weit ins Jahr 2022 ausverkauft, das Interesse enorm. Am einst nicht unbedingt als Spieleplattform bekannten Betriebssystem scheinen sich nur wenige zu stören: Valve hat seit einem Jahrzehnt darauf hingearbeitet, das freie Betriebssystem zur Gaming-Plattform auszubauen. Und das ist Microsoft zu verdanken.
Zeitreise ins Jahr 2012. Microsoft hat einen seiner bisher wohl größten Flops veröffentlicht: Windows 8 und die für ARM-Geräte gedachte abgespeckte Version Windows RT. Das Kachel-Betriebssystem mit bildschirmfüllendem Startmenü gefiel nicht nur den Nutzern nicht, sondern sorgte auch bei Software-Entwicklern für Kopfschütteln.
Microsoft Store zwang Valve zu Reaktion
Grund war die Einführung des Microsoft Stores, mit dem der Windows-Riese mehr Kontrolle über den Software-Markt erlangen wollte. Beim „Half Life“- und Steam-Entwickler Valve schrillten die Alarmglocken: Microsoft wollte mit seinem neuen App-Markt ganz offensichtlich auch beim Spielevertrieb mitmischen, hätte Rivalen wie Steam Steine in den Weg legen können. Valve-Chef Gabe Newell kündigte in Folge an, verstärkt auf Linux zu setzen und sagte in Interviews offen, was er von Microsofts Vorgehen hielt. Er nannte Windows 8 „eine Katastrophe“.
Valves Plan B: Linux statt Windows
Für Microsoft entwickelte es sich tatsächlich zu einer: Windows 8 floppte, erst 2015 konnte man die Nutzer mit Windows 10 versöhnen. Bei Valve hatte man da längst eine Entscheidung getroffen: Wenn Microsoft Valve beim Spielevertrieb Konkurrenz machen wollte, dann musste ein Plan B her. Man wollte sich nicht mehr auf Windows verlassen. Was lag da näher, als sich einem Betriebssystem zuzuwenden, das keinem Konzern gehört, sondern dessen Quellcode offen und gratis zu verwenden ist? Das freie Betriebssystem Linux sollte es richten.
Ein Jahr nach Windows 8 erschien SteamOS
Das Problem: Linux war damals als Spieleplattform eine Spaßbremse. Die allermeisten PC-Spiele lagen als Windows-Version vor, von den wenigsten gab es eine Linux-Umsetzung. Da half auch nicht, dass Valve Steam schon seit Jahren für Linux anbot: Newell und seine Mitstreiter mussten sich etwas einfallen lassen. Sie veröffentlichten Ende 2013, ein Jahr nach Windows 8, die erste Version ihrer für Spieler gedachten und kostenlos nutzbaren Linux-Distribution SteamOS, die auch auf der Mobilplattform Steam Deck zum Einsatz kommen wird.
„Steam Machines“ floppten, Linux blieb wichtig
Der Erfolg stellte sich nicht sofort ein, Windows blieb die dominierende Plattform. Daran änderten auch Valves Ambitionen, 2015 mit den „Steam Machines“ kompakte Linux-betriebene Spiele-PCs für das Wohnzimmer unters Volk zu bringen, nichts. Das Projekt wurde - ebenso wie der innovative Controller dazu - eingestellt. SteamOS und Linux blieben aber Thema. Valve wollte Linux als Spieleplattform so weit etablieren, dass man im Falle eines Microsofts-Fouls auf ein anderes Betriebssystem wechseln könnte und entwickelte an seiner Linux-Version für Spieler weiter.
2018 gelang mit Proton der Durchbruch
Der Durchbruch gelang Valve und seinen Partnern von Codeweavers 2018: Da enthüllte man die auf Basis der Windows-Linux-Übersetzungssoftware WINE entwickelte, für Spiele gedachte Kompatibilitätsschicht Proton. Sie übersetzt bei geringem Leistungsverlust für Windows programmierte Spiele in Code, den auch Linux versteht. Die 3D-Schnittstelle DirectX für Windows wird kurzerhand ins plattformneutrale Vulkan umgewandelt.
Valves Hintergedanke: Wenn die meisten Entwickler nur für Windows entwickeln, dann muss die Windows-Version eben unter Linux laufen. Und bei einem Gutteil der insgesamt über 50.000 auf Steam verfügbaren Spiele ist das mittlerweile der Fall: Die Kompatibilitätsdatenbank ProtonDB führt rund 19.000 Windows-Spiele, von denen dank Proton 15.000 auch unter Linux laufen. Probleme gibt es am ehesten bei Multiplayer-Shootern, die für Windows entwickelte Anti-Cheat-Software nutzen. Bis zum Start des Steam Deck will Valve auch dafür eine Lösung finden.
Steam Deck könnte Linux-Gaming etablieren
Mit dem Steam Deck, dessen erste Exemplare gegen Jahresende ausgeliefert werden, steht nun jedenfalls die Bilanz des bald ein Jahrzehnt langen Linux-Engagements bei Valve ins Haus. Wer will, kann darauf - es ist ja eine offene PC-Plattform - zwar Windows installieren. Der mobile Gaming-PC soll aber vor allem einer breiten Spielerbasis zeigen, was mit Linux als offener PC-Spieleplattform heute möglich ist.
Und nebenbei dürfte das Steam Deck, wenn es ein Erfolg wird, auch manch einen Entwickler zum Umdenken bringen, sodass künftig mehr Spiele in einer nativen Version für Linux vorliegen werden oder Proton bereits bei der Entwicklung bedacht wird. Es ist die nächste Stufe in Valves 2012 erdachtem Notfallplan - und eine Kampfansage an Microsoft, dass Windows als dominierende Spieleplattform am PC nicht in Stein gemeißelt ist.
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