Trotz Kritik - unter anderem seitens des Rotkreuz-Präsidenten - spricht sich Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) weiter gegen einen Abschiebestopp nach Afghanistan aus. Es sei einfach, einen solchen zu fordern und gleichzeitig „die zu erwartenden Fluchtbewegungen zu negieren“, sagte er am Samstag. „Wer Schutz benötigt, muss diesen möglichst nahe am Herkunftsland erhalten.“ Die FPÖ sieht indes einen „peinlichen Bluff der Türkisen“: Tatsächlich sei seit zwei Monaten sei kein einziger Afghane außer Landes gebracht worden, so Parteiobmann Herbert Kickl.
„Ein genereller Abschiebestopp ist ein Pull-Faktor für die illegale Migration und befeuert nur das rücksichtslose und zynische Geschäft der Schlepper und somit der organisierten Kriminalität“, erklärte Nehammer am Samstag in einem Statement. Es seien fast ausschließlich junge Männer, die einen Asylantrag in Österreich stellen, betonte er. Um die illegale Migration in Richtung Europa - „und somit auch nach Österreich“ - einzudämmen, brauche es einen „ganzheitlichen Ansatz“, sagte der Innenminister.
Kickl sieht „peinlichen Bluff der Türkisen“
FPÖ-Chef Kickl sprach von einem „peinlichen Bluff der Türkisen“: „Die ÖVP versucht mit allen Mitteln den Anschein zu wahren, man würde weiter Abschiebungen nach Afghanistan durchführen. Tatsache ist, dass der letzte Abschiebeflug bereits vor zwei Monaten stattgefunden hat und seitdem kein einziger Afghane außer Landes gebracht wurde“, so der blaue Parteiobmann in einer Aussendung.
Kickl: „Türkise in Wahrheit voll auf Linie der Grünen“
Er verwies auch darauf, dass bis Juli 2021 den 2514 Asylanträgen lediglich 199 Außerlandesbringungen von Afghanen gegenüberstehen. „Kurz und Nehammer tun einmal mehr so, als würde die Bundesregierung eine harte Linie bei Abschiebungen vertreten, dabei ist genau das Gegenteil der Fall, nämlich eine Asylantragsflut und ein seit Monaten bestehender Stopp bei den Abschiebungen. In Wahrheit sind die Türkisen damit voll auf der Linie des grünen Koalitionspartners“, so Kickl.
Im Büro von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verwies man am Samstag auf die Aussagen des Parteichefs vom Donnerstag, wonach laut Experten-Sicht Abschiebungen nach Afghanistan derzeit rechtlich und faktisch nicht möglich seien. Es habe sich an der Sachlage nichts geändert, betonte eine Sprecherin Koglers auf Anfrage. „Rechtlich werden die Einzelfallprüfungen dazu führen, dass dies nicht mehr infrage kommt“, hatte Kogler dazu erklärt. „Es ist faktisch nicht möglich, weil es für die Flieger gar keine Landeerlaubnis in Afghanistan gibt.“
Bislang letzter Abschiebeflug erfolgte Mitte Juni
Im Innenministerium bestätigte man, dass der letzte Abschiebeflug am 16. Juni (also vor zwei Monaten) stattgefunden hat. Im Jahr 2021 habe es (bis Juli) vier Charter-Abschiebeflüge nach Afghanistan gegeben - ebenso viele wie im Gesamtjahr 2017. Abseits der Abschiebeflüge seien weiterhin zwangsweise Außerlandesbringungen von Afghanen in andere EU-Staaten nach der Dublin-Verordnung durchgeführt worden. Seit Jahresanfang seien dies insgesamt 80 gewesen (Stand Ende Juli), alleine im Vormonat waren es laut Innenressort 20 derartige Überstellungen.
Schallenberg ruft die Taliban zu Dialog auf
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat die in Afghanistan immer weiter vorrückenden Taliban aufgefordert, „ihr rücksichtsloses Vorgehen sofort zu stoppen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren“. „Man kann nicht die eine Hand zum Dialog ausstrecken und mit der anderen weiter die Waffe umklammern“, ließ er die islamistischen Milizen in einer Aussendung wissen. Mit ihrer militärischen Offensive würden die Taliban den Wunsch der afghanischen Bürger nach Frieden und Sicherheit mit Füßen treten.
Bei der Bekämpfung der Schlepperei will Schallenberg auf regionale und internationale Kooperation setzen: „Wir werden die Nachbarstaaten nicht im Stich lassen, wenn es um das Grenzmanagement und den Kampf gegen die organisierte Kriminalität geht.“ Hier könne man auf die Erfahrung der in Wien ansässigen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zurückgreifen, so der Minister.
Schallenberg warnte vor der internationalen Dimension des aktuellen Konflikts: „Die Krise in Afghanistan spielt sich nicht im luftleeren Raum ab“, sagte er. „Konflikt und Instabilität in der Region wird früher oder später auch auf Europa und somit auf Österreich überschwappen.“
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