Taliban rücken vor
Pentagon: Afghanischer Armee fehlt Wille zum Kampf
Noch am 8. Juli sagte US-Präsident Joe Biden, es sei „sehr unwahrscheinlich“, dass die Taliban nach dem US-Abzug aus Afghanistan „alles überrennen“. Gut einen Monat später haben die militanten Islamisten einen Großteil der Provinzhauptstädte eingenommen und stehen rund 35 Kilometer vor der Hauptstadt Kabul. Den „fehlenden Widerstand“ durch die afghanische Armee hätten die USA nicht vorhersehen können, sagte der Sprecher des Pentagon, John Kirby, am Freitag. Er warf den Streitkräften mangelnde Kampfbereitschaft vor (siehe auch Video oben).
Es sei „beunruhigend“ zu sehen, dass die politische und militärische Führung nicht den „Willen“ gehabt habe, sich dem Vormarsch der Taliban zu widersetzen. Mit Blick auf die finanzielle Unterstützung der US-Regierung für die Sicherheitskräfte fügte er gegenüber CNN hinzu: „Geld kann keinen Willen kaufen.“ Dafür sei die politische und militärische Führung der Afghanen zuständig. Die Kampfbereitschaft sei nötig, um zu verhindern, dass die Taliban das ganze Land unter ihre Kontrolle bringen, warnte Kirby.
Afghanische Armee auf dem Papier überlegen
Denn was Ausrüstung, Training und Truppenstärke angehe, seien die afghanischen Sicherheitskräfte den militanten Islamisten überlegen. Zudem verfügen sie über eine Luftwaffe. Gute Ausrüstung existiert aber teils nur auf dem Papier: Experten machen neben einer unerfahrenen Führung auch Korruption für den desolaten Zustand der Armee verantwortlich. Viele Kommandeure wirtschaften in die eigene Tasche und verkaufen Waffen auf dem Schwarzmarkt.
Kabul nicht in „unmittelbarer Gefahr“
Mehr als die Hälfte der Provinzhauptstädte sind inzwischen in der Hand der Taliban. Die Hauptstadt Kabul selbst sei aber nicht in „unmittelbarer Gefahr“, so Pentagon-Sprecher Kirby. Derzeit sei die Lage ruhig. Angesichts der dramatischen Gebietsgewinne der islamistischen Terrorgruppe bereiten sich die USA aber auch auf einen möglichen Fall Kabuls vor. Rund 3000 Soldaten werden laut Kirby „vorübergehend“ eingeflogen, um beim Abzug von Mitarbeitern der US-Botschaft zu helfen. Etwa 5000 weitere Soldaten werden zudem im Nahen Osten stationiert, um als mögliche Verstärkung bereitzustehen.
US-Militär könnte täglich Tausende ausfliegen
Die US-Streitkräfte können bei Bedarf nach eigenen Angaben täglich Tausende Menschen aus Kabul ausfliegen. Die Kapazität für den Lufttransport sei „kein Problem“, sagte Kirby am Freitag weiter. Zudem soll das Militär beim Ausfliegen Tausender früherer afghanischer Mitarbeiter der US-Behörden und des US-Militärs helfen, die sich vor den Taliban in Sicherheit bringen wollen. Die Afghanen sollen sich außerhalb des Landes um Visa bewerben können, um dann in den USA neu zu starten.
Botschaftsmitarbeiter zur Zerstörung von Dokumenten aufgerufen
Indes forderte die US-Botschaft ihr Personal zur Zerstörung sensiblen Materials auf. In einem Vermerk an die Botschaftsmitarbeiter verwies ein Gebäudetechniker sie am Freitag auf die bestehenden Möglichkeiten zur Verbrennung oder Entsorgung von Dokumenten und Gerätschaften. Zerstört werden sollten demnach alle Gegenstände, die von den Taliban für ihre Propaganda „missbraucht werden könnten“. Als Beispiele dafür wurden etwa US-Flaggen genannt.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.