Johnson warnt:
„Afghanistan darf nicht Terror-Brutstätte werden“
Der britische Premierminister Boris Johnson hat westliche Staaten am Sonntag davor gewarnt, die radikal-islamischen Taliban ohne vorherige Absprache als neue Regierung Afghanistans anzuerkennen. Es sei „sehr wichtig, dass der Westen zusammenarbeitet, um dieser neuen Regierung - ob es Taliban sind oder jemand anderes - klarzumachen, dass niemand will, dass Afghanistan wieder zur Brutstätte für Terrorismus wird“, betonte Johnson. Was die Flüchtlingswelle betrifft, die viele Politiker und Experten aus Afghanistan erwarten, sind aus der Sicht von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nun in erster Linie die USA gefordert, eine Antwort zu bieten.
Es sei klar, dass es demnächst eine neue Regierung in Kabul geben werde, sagte Johnson nach einer Sitzung des nationalen Sicherheitskabinetts am Sonntag in London. Johnson forderte zugleich rasche Beratungen der NATO und des UNO-Sicherheitsrats. Er habe bereits mit den Generalsekretären beider Organisationen darüber gesprochen, teilt Johnsons Büro mit. „Wir wollen nicht, dass jemand die Taliban bilateral anerkennt. Wir wollen eine einheitliche Position unter allen Gleichgesinnten, soweit wir eine bekommen können.“
Die Situation in Afghanistan beschrieb er als „sehr schwierig“. Höchste Priorität habe es nun, britische Staatsangehörige und Afghanen, die mit Großbritannien zusammengearbeitet hätten, außer Landes zu bringen. „Wir werden so viele wie möglich in den nächsten paar Tagen rausbringen“, so der konservative Politiker.
Albanien und Kosovo wollen befristet Afghanen aufnehmen
Albanien und Kosovo wollen indessen vorübergehend afghanische Flüchtlinge aufnehmen, die wegen der vorrückenden Taliban in ihrem Land gefährdet sind. Man komme damit einer Bitte der USA nach, erklärten der albanische Ministerpräsident Edi Rama und die kosovarische Staatspräsidentin Vjosa Osmani am Sonntag bei Facebook. Es gehe darum, Flüchtlinge aufzunehmen, die später in die USA gebracht werden sollen.
Man sehe sich als NATO-Mitglied zur Solidarität verpflichtet, sagte Rama weiter. Er betonte zudem, dass Hilfe für Schutzsuchende in seinem Land Tradition habe. Unter anderem habe man im 20. Jahrhundert von den Nazis verfolgte Juden aufgenommen. Albanien ist seit 2009 Mitglied der NATO.
„Niemand weiß besser als wir (Kosovaren), was es bedeutet, ausgewiesen zu werden und mit Gewalt Orte verlassen zu müssen, in denen man aufgewachsen ist“, schrieb Kosovos Staatschefin Osmani. Kosovo, einst Teil der Bundesrepublik Jugoslawien, hatte sich 2008 nach einem blutigen Krieg gegen die Zentralmacht in Belgrad für unabhängig erklärt - was von 115 Staaten, darunter den meisten EU-Ländern, anerkannt wird.
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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht USA gefordert
Aus der Sicht von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sind nun in erster Linie die USA gefordert, auf die Flüchtlingswelle, die er aus Afghanistan erwartet, eine Antwort zu bieten. „Ich rechne mit einer großen Herausforderung“, sagt der CSU-Chef auf Bild live. „Die Amerikaner waren federführend in diesem Einsatz und haben federführend jetzt entschieden, das Land zu verlassen“, sagt Söder. „Ausfliegen der eigenen Leute, das wird dieses Mal nicht reichen.“
CDU-Chef Armin Laschet forderte indes einem Zeitungsbericht zufolge eine sofortige Rettung von langjährigen „Helfenden und Unterstützenden“ aus Afghanistan. „Wir dürfen sie nicht im Stich lassen“, schreibt der Kanzlerkandidat der deutschen Unionsparteien laut „Bild“-Zeitung in einem „Afghanistan-Plan“. Ein Beschluss des Bundestags könne nachgeholt werden. Zusätzlich solle Deutschland sich bereit erklären, als Soforthilfe gefährdete Frauen und ihre Familienangehörigen vor dem Tod zu retten und aufzunehmen. Für die kommenden Tage und Wochen fordert Laschet eine europäische und transatlantische Antwort auf das Geschehen.
Malala Yousafzai besorgt über Lage in Afghanistan
Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai aus Pakistan hat sich „vollkommen geschockt“ über den Vormarsch der Taliban in Afghanistan gezeigt. „Ich bin in tiefer Sorge um die Frauen, Minderheiten und Menschenrechtsaktivisten“, schrieb sie am Sonntag auf Twitter. Sie rief „globale, regionale und lokale Mächte“ dazu auf, eine Feuerpause durchzusetzen, humanitäre Hilfe zu leisten sowie Flüchtlinge und Zivilisten zu schützen.
Seit Beginn des Abzugs der US- und NATO-Truppen aus Afghanistan im Mai haben die militant-islamistischen Taliban gewaltige Gebietsgewinne verzeichnet. Am Sonntag rückten sie kampflos in die Hauptstadt Kabul ein. Der afghanische Präsident Ashraf Ghani hat das Land inzwischen verlassen.
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